In den deutschen Metropolräumen und Großstädten nimmt die Anzahl der Einwohner seit der Jahrtausendwende wieder zu, während sich in den ländlichen Regionen ein fortsetzender Bevölkerungsrückgang abzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Konzentrations- und Schrumpfungsprozesse in deutschen Regionen und Großstädten bis 2030“ des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Der Studie zufolge verlaufen diese Entwicklungsprozesse je nach Region völlig unterschiedlich.
In der Studie des IW Köln wird die Entwicklung der Bevölkerung nach Kreisen in Deutschland im Zeitraum 2012 bis 2030 anhand verschiedener Szenarien betrachtet, dessen Prognosen, abhängig von der Zuwandererzahl, unterschiedlich ausfallen. Großstädte mit einer Bevölkerungsanzahl zwischen 500.000 bis 600.000 Einwohnern werden durch eine hohe Zahl an Zuwanderer vor große Herausforderungen gestellt. Diese kommen nicht nur aufgrund der wachsenden Offenheit Deutschlands gegenüber Migranten aus Mittelosteuropa, sondern auch aus den peripheren Gebieten, kleineren Städten oder unattraktiven Ballungsräumen, Deutschlands, wie etwa dem Ruhrgebiet.
Rund 370.000 Menschen kamen im Jahr 2012 unterm Strich minus der Anzahl der Abwanderer, nach Deutschland. Im Jahr 2013 betrug die Netto-Zuwanderung schätzungsweise mindestens 400.000 Menschen. Hinzu kommt ein wachsender Anteil an Studierenden in den Großstädten, welcher zu divergierenden Bevölkerungsentwicklung zwischen Hochschulstandorten und Städten ohne höhere Bildungseinrichtungen führt. In den meisten Fällen bleiben die Hochschulabsolventen nach dem Abschluss an ihrem Studienort, was z. B. daran liegt, dass sie sie dort einen Partner gefunden haben oder schon vor dem Abschluss Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern knüpfen konnten. In vielen Städten und Gemeinden abseits der Metropolen hingegen wird sich der Bevölkerungsrückgang beschleunigen, so das IW Köln. Am stärksten falle die Schrumpfung in den peripheren Regionen Ostdeutschlands aus. Dies resultiere daraus, dass diese Gebiete zum einen keine Anziehungskraft auf Zuwanderer ausüben und zum anderen von Abwanderungen selbst betroffen sind. Da vor allem junge Menschen diese Regionen verlassen und somit immer mehr potenzielle Eltern fehlen, wächst hier die Lücke zwischen Geburten und Sterbefällen besonders.
So steht die Problematik einer zunehmenden Unterauslastung von Infrastrukturen und öffentlichen Diensten in den schrumpfenden Regionen den drohenden Überlastungen in den wachsenden Ballungsgebieten gegenüber. Dies lasse sich beispielsweise schon heute anhand von Engpässen auf den regionalen Wohnungsmärkten sowie bei Schulen und Kindergärten erkennen. Aber auch die Gesundheitsversorgung bekommt die Konsequenzen dieser Entwicklungen bereits zu spüren. Vor allem in den ländlichen Regionen wird die Sicherung der stationären sowie der ambulanten medizinischen Versorgung als zunehmend kritisch betrachtet. Eine geringe Arztdichte und nur weitläufig erreichbare Kliniken gefährden eine adäquate medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten. Doch der neue Bundesgesundheitsminister, Hermann Gröhe, hat angekündigt, für eine Verbesserung dieser Missstände zu sorgen. So plane dieser beispielsweise, jungen Menschen den Zugang zum Medizinstudium zu erleichtern, wenn diese sich verpflichten eine Praxis um ländlichen Raum zu übernehmen. Denkbar sei zu diesem Zweck ein Notenbonus als Anreiz. Über sein Vorhaben will der Gesundheitsminister mit den Wissenschaftsministerien sprechen.
Eine andere Maßnahme, welche sich bereits beginnt zu etablieren, stellt die Telemedizin dar. Diese bietet eine Art Fernbetreuung, vor allem für Hochrisikopatienten. Das in Sachsen-Anhalt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Schlaganfall-Netzwerk TASC (Telemedical Acute Stroke Care) findet nach zweieinhalbjähriger Projektarbeit heute erfolgreich Anwendung. Problem an dieser Stelle ist im Moment allerdings noch, dass telemedizinische Leistungen noch keine abrechenbare Ziffer im EBM-Katalog besitzen, wodurch sich ein flächendeckender Einsatz aktuell nicht finanzieren lässt. Doch auch hier sind Änderungen vorgesehen. Im Sommer letzten Jahres haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung in einer Rahmenvereinbarung auf Kriterien für die Zulassung telemedizinischer Anwendungen als Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab geeinigt.
Anreize zur Problemlösung lassen sich wie so häufig im Ausland finden: In vielen Regionen Skandinaviens und Nordamerikas, in denen weitaus geringere Bevölkerungsdichten als in den deutschen Peripherien besteht, gibt es bereits praktizierte Lösungen für derartige Probleme, die auf Deutschland zukommen werden. Dort wird längst die Vernetzung durch das Internet in Form von E-learning und Telemedizinangeboten zur Aufrechterhaltung öffentlicher Dienste genutzt. Weiterhin können fehlende ÖPNV-Angebote durch Rufbusse oder Bürgertaxis ersetzt werden. Die Bereitschaft der deutschen Politik zur Übernahme ausländischer Vorbilder scheint steigerungsfähig. Pilotprojekte sollten demnach in einen regionalpolitischen Rahmen mit längerfristiger Perspektive überführt werden.