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Die gematik, die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, hat – wie aus Insider-Kreisen zu hören ist – die eRezept-Infrastruktur an den Mutterkonzern von DocMorrris, Zur Rose aus der Schweiz, vergeben. Allerdings ist der Zuschlag noch nicht öffentlich vergeben. Wettbewerber wie Noventi, ein apothekereigenes deutsches Unternehmen, welches mit der Bertelsmann-Tochter Arvato kooperiert, äußern sich mit Unbehagen und Entrüstung, weil der Zuschlag für die Telematik-Infrastruktur (TI) im deutschen Gesundheitswesen damit an die Zur Rose-Tochter eHealth-Tec geht, die wiederum mit dem IT-Konzern IBM beziehungsweise mit der Deutschland-Tochter des US-Riesen zusammenarbeitet. Das erste Ausschreibungslos scheint somit an einen US-Konzern und an eine niederländische Versandapotheke zu gehen, was die deutschen Bewerber wie Noventi oder Optica aufregt. Dem Softwareentwickler Noventi aus München und auch Arvato ist wohl ein Formfehler unterlaufen. Das Interessante daran ist, dass IBM zuerst mit Noventi kooperieren wollte. Das apothekereigene Unternehmen hat allerdings eine Kooperation abgelehnt, mit der Begründung, der eRezept-Fachdienst solle in europäischen Händen bleiben. Deshalb ist der Vorstandschef von Noventi, Dr. Hermann Sauer, auch so erbost, weil international gesteuerte Konzerne den Zuschlag für die TI im deutschen Gesundheitssystem bekommen haben. Die gematik könnte allerdings auch noch wegen dieser bevorstehenden Entscheidung unter Beschuss geraten, was deutsche Datenschutz-Richtlinien angeht. Kürzlich erst hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entschieden, dass europäische Anbieter von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in Form von Apps nicht mit US-amerikanischen Dienstleistern kooperieren dürfen. Das eRezept und seine Anbindung an die TI steht unter anderem deshalb in der Kritik, weil es ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verschickt wird. Datenschutz-Experten glauben danach, dass Daten über die Verordnung von Ärzten und Daten über die Belieferung der Rezepte gesetzliche Rahmenbedingungen sprengen und erst ein gesetzlicher Rahmen für den internationalen Datenaustausch geschaffen werden muss. Noventi wird aber nicht nur für die Datenschutz-Konformität kämpfen, sondern auch für eine Ausweitung von gesellschaftsrechtlichen Verbindungen in Bezug auf das Zuweisungsverbot von Rezepten und damit für den Erhalt der flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Deutschland. Bis zum 1. März 2021 müssen IBM und eHealth-Tec demnach die Testumgebung bereitstellen. Vier Wochen nach offiziell verkündetem Zuschlag würde die Konzeption und Planung beginnen, sodass die produktive Inbetriebnahme am 23. Juni nächsten Jahres wie geplant stattfinden könnte. Der 1. Juli wäre der offizielle Startschuss. Die Einhaltung dieses Termins bezweifeln viele Kritiker allerdings. 

Quelle: Apotheke Adhoc