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Lange hatte sich das Bundesgesundheitsministerium aus dem Konflikt der Landesdatenschützer mit den stammeseigenen Apothekenabrechnungszentren um pseudonymisierte bzw. anonymisierte Daten herausgehalten. Nun musste sich die Bundesregierung nach einer kleinen Anfrage der SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer im August und einer weiteren kleinen Anfrage der Grünen im September zu diesem Sachverhalt äußern. Die Frage lautete: „Wie steht die Bundesregierung zu den Vorwürfen, dass Apothekenrechenzentren Rezeptdaten an kommerzielle Anbieter verkaufen?“ Die Bundesregierung und im Speziellen das Bundesministerium für Gesundheit äußerten sich zu diesem Sachverhalt wie folgt: „Die Kontrolle der Einhaltung des Datenschutzes obliege den jeweiligen Datenschutzbehörden der Länder. Die Bundesregierung habe in diesem Fall keine Prüf- oder Weisungsbefugnisse.“ Welche gesetzlichen Anforderungen an eine Unkenntlichmachung der Daten gestellt würden, könne aus dem Bundesdatenschutzgesetz und dem Zehnten Buch des Sozialgesetzbuches entnommen werden, hieß es aus der Behörde weiter. Auf die Anfrage der Grünen hatte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Annette Widmann-Mauz (CDU) sich konkreter geäußert: „Das Bayrische Landesamt für Datenschutz habe den Fall bereits geprüft und keine Verstöße gegen den Datenschutz festgestellt.“

Die konkrete Entwicklung dieses Streits kann in unserem Leitartikel von 9. Juli 2013 hier nachgelesen werden. Seit dem ist jedoch viel passiert. So veröffentlichte der „Spiegel“ wenige Tage nach unserer Veröffentlichung weitere Daten und Fakten. Die in dem Artikel beschuldigte Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken (VSA) reagierte auf die Veröffentlichungen mit rechtlichen Schritten. Auch gegen den schleswig-holsteinischen Datenschützer Thilo Weichert , der seine Anschuldigungen und falsche Behauptungen in mehreren Interviews wiederholte, werde man juristisch vorgehen. Dieser hatte zuvor „vom größten Datenskandal der Nachkriegsgeschichte gesprochen“. Auch der Bayerische Apothekenverband (BAV) geht gegen die Veröffentlichungen im „Spiegel“ vor und hat Beschwerde beim deutschen Presserat eingereicht. „Der Autor des Artikels habe mit Überschrift und Bebilderung suggeriert, Apotheker selbst würden Daten an Marktforschungsunternehmen verkaufen. Erst am Ende des Artikel würde der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt.

Die VSA hatte bereits vor den juristischen Schritten die Veröffentlichung im „Spiegel“ als „schlichtweg falsch“ dementiert. In dem Artikel „Pillendreher als Datendealer“ werden geschwärzte Abbildungen gezeigt die angeblich Listen mit den umsatzstärksten Kliniken bezogen auf ausgewählte Chemotherapeutika zeigen. Auch Verhaltensbewertungen von Ärzten sei durch eine unzureichende Pseudonymisierung der Daten möglich, sodass Pharmavertreter ihre Praxisbesuche anhand der Daten planen könnten.

Egal welche Partei zum aktuellen Zeitpunkt „Recht“ hat und ob die an die Öffentlichkeit getretenen Daten tatsächlich „echt“ sind, wird der Streit um die Weitergabe von Abrechnungsdaten so lange weitergehen, bis beide Parteien oder die Abrechnungszentren untereinander eine Lösung finden. Dies erscheint zum jetzigen Zeitpunkt jedoch sehr unrealistisch, sodass dies zwangläufig durch eine oder mehrere gerichtliche Instanzen geklärt werden muss, ob und in welchen Umfang Abrechnungsdaten zukünftig an kommerzielle Anbieter weitergegeben werden dürfen.