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Seit fünf Jahren existiert der sog. Pflege-TÜV. Er vergibt Pflegeeinrichtungen Schulnoten, aber Betroffene vertreten die Ansicht, dass gerade diese Praxis gute Pflege erschwere. Der Pflege-TÜV bringe viel Bürokratie mit sich, so die Kritiker. Das Resumee ist jedoch kein anderes als schon vor Einführung des Pflege-TÜV: Es besteht nach wie vor ein Pflegekräftemangel, der sich aus Sicht der Patientin vor allem in zu wenig Zuwendung äußere. Von der ohnehin schon knapp bemessenen Zeit für den Patienten entfalle seit Einführung des Pflege-TÜV nun eben auch ein gehöriger Anteil auf die schriftliche Dokumentation der Arbeit der Pfleger, für die es umso bessere Noten gebe, je ausführlicher sie verfasst ist.

Frank Kadereit, Geschäftsführer der Mission Leben-Im Alter GmbH ist daher der Ansicht,  dass die Bedürfnis der Menschen und wie mit ihnen umgegangen wird, sich stark von den Vorgaben des Pflege-TÜVs unterscheidet. Der Verband der Ersatzkassen (VdeK) nennt den Fehler des Systems beim Pflege-TÜV beim Namen. Es gibt keine unterschiedliche Gewichtung verschiedenster Parameter. Durch den Aushang des Speiseplans wurde schlechte Medikamentenversorgung wettgemacht, sagt eine Sprecherin des VdeK. Schlimmstenfalls gleicht eine schöne Haustür bei der Gesamtbewertung sogar das Vergessen eines Bewohners auf der Toilette aus. Zwar sei insoweit der Kriterienkatalog schon verändert worden, ob sich dadurch die Aussagekraft des Pflege-TÜVs aber maßgeblich ändert, ist noch offen. Zumindest nach dem alten System liegen die Durchschnittsnoten für die Einrichtungen bundesweit im sehr guten Bereich. Mehr als 11.000 Einrichtungen werden vom Pflege-TÜV bewertet.

Das Bewertungssystem erweist sich in der Praxis als zu statisch. Mitarbeiter sind sich sicher, dass bei der Wahl der Einrichtung der persönliche Eindruck des zukünftigen Bewohners entscheidet. Das Problem des Personalmangels wird sich nicht ohne Weiteres beheben lassen.

Wir sehen grundsätzlich eine nach einheitlichen Kriterien erfolgende Qualitätskontrolle von Pflegeeinrichtungen als praktikables Werkzeug, um einen gewissen Qualitätsstandard bei der Pflege zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund, dass Vorhersagen bis 2050 den Anteil der 80-Jährigen in Deutschland im OECD-Vergleich als den zweithöchsten einschätzen und die  Anzahl der Pflegekräfte weiterhin sinkend ist, ist unsere alternde Gesellschaft gut beraten, auch die Mechanismen der Qualitätskontrolle stets im Auge zu behalten und ggf. zu verändern bzw. schnell zu reagieren, wenn Anpassungen nötig sind. Äußere Faktoren der Pflege wie Gestaltung von Speisesälen und Grad der Moderne der Bausubstanz der Einrichtung stehen aus unserer Sicht in einem unabhängigen Verhältnis zu „inneren“ Faktoren wie der individuellen Fürsorge.