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Die Zahl der praktizierenden Ärzte steigt kontinuierlich: Nach Erhebungen der Bundesärztekammer (BÄK) waren im Jahr 2013 in Deutschland 357.252 Ärzte berufstätig, 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Dennoch spricht man hierzulande von Ärztemangel. Dies mutet zunächst wie ein Widerspruch an, bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass allein zwischen 2004 und 2012 die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle um 136 Millionen gestiegen ist. Im stationären Bereich stieg die Fallzahl im gleichen Zeitraum um 1,8 Millionen. Grund für den steigenden Bedarf an ärztlichem Personal ist neben der Auswirkungen einer alternden Gesellschaft der medizinische Fortschritt selbst. So existieren heute Behandlungsmethoden, die vor einigen Jahren noch nicht durchführbar waren. Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass auch Ärzte „nur“ Menschen sind und sich an der Diskussion zum Thema Work-Life-Balance beteiligen. So ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere Landärzte nicht mehr in jedem Fall dazu bereit sind, rund um die Uhr allein für die Versorgung eines gesamten Dorfes verantwortlich zu sein und dabei 55 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Um die ärztliche Versorgung dennoch auch in ländlichen Regionen sicherzustellen, werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Erst am vergangenen Donnerstag brachte der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, die Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung von Patienten wieder ins Gespräch. Die jetzige Trennung von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten sei purer Luxus und anachronistisch. „Die Versicherten verstehen doch gar nicht, warum sie nicht einen guten Arzt aufsuchen können, der in einem Krankenhaus tätig ist“, so Graalmann. Die Nachteile der bisher noch bestehenden Trennung liegen auf der Hand: Informationsverlust, Doppeluntersuchungen, unkoordinierte Behandlungsabläufe und mangelnde Qualitätskontrolle, um nur die offensichtlichsten zu nennen. Daraus resultieren neben Versorgungslücken auch gravierende Mehrkosten für das Gesundheitssystem. Genau diese Schwachpunkte stehen seit vielen Jahren im Mittelpunkt der Kritik. Trotzdem hat sich bislang nur wenig geändert, obwohl Modellversuche die Vorteile einer ambulanten Versorgung in Krankenhäusern zeigten.  So bestätigte im Jahr 2001 ein Projekt an der Universitätsfrauenklinik Mannheim, dass die Verzahnung von niedergelassenen Ärzten auf der einen und Kliniken auf der anderen Seite Kosten einspart und die Qualität der Behandlung verbessert. Mittels eines Konsiliararztvertrages konnten Ärzte ihre Patienten der Klinik zuweisen und sie dort operativ, postoperativ und konservativ selbst behandeln oder bei der Behandlung assistieren. Die Klinik stellte dafür die Räumlichkeiten und Geräte zur Verfügung.

Trotz positiver Ergebnisse gibt es immer wieder Gegenstimmen. Der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, positioniert sich entschieden gegen eine Öffnung. Grund sei der Umstand, dass die Krankenhäuser, insbesondere in ländlichen Regionen, selbst unter dem Ärztemangel leiden und daher die Kapazitäten für eine zusätzliche ambulante Versorgung nicht vorhanden sind. Zudem stünde die Idee im Widerspruch dazu, dass gerade jungen Ärzten eine Praxisniederlassung schmackhaft gemacht werden soll. Stattdessen sollen Landärzte nach Ansicht der KBV  einen finanziellen Anreiz für die Tätigkeit in strukturell schwachen Regionen erhalten und gleichzeitig Überkapazitäten in Städten abgebaut werden.

Die Entscheidung, ob in Krankenhäusern in Zukunft auch ambulant behandelt werden darf, liegt bei der Politik. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Gesundheitsexperte Jens Spahn (beide CDU) stehen einer Öffnung von Kliniken für die ambulante Behandlung durchaus positiv gegenüber. Auch die große Koalition hat bereits angekündigt, zusammen mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein unabhängiges Qualitätsinstitut aufzubauen, um die möglichen Effekte einer integrierten Versorgung, also einer Vernetzung von Fachdisziplinen und Sektoren, zu untersuchen.