Laut dem aktuellen Stepstone-Gehaltsreport sind Ärzte in Deutschland immer noch die Top-Verdiener. Allerdings wandern immer mehr Ärzte aus Deutschland ab. Zielländer wie Österreich, die Schweiz oder Großbritannien locken mit höherer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen. Dadurch fehlen in Deutschland Ärzte, die wiederum im Ausland angeworben werden. Die Migration von Ärzten nimmt seit Jahren zu, ein Ende ist bislang nicht abzusehen.
Die Abwanderung von Ärzten ins Ausland wird seit 2005 von den Ärztekammern erfasst. Allein im Jahr 2011 verließen 3.410 bisher in Deutschland praktizierende Ärzte Deutschland, um andernorts kurativ tätig zu werden. Die höchste Abwanderung konnte dabei bisher regelmäßig in Hessen, Bremen und Niedersachsen festgestellt werden. Die beliebtesten Zielländer sind die Schweiz, Österreich, die USA sowie Großbritannien.
Gleichzeitig zieht es Ärzte aus dem Ausland nach Deutschland, die Zuwanderung erfolgt vor allem aus Österreich sowie den osteuropäischen Staaten. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am 7. Januar berichtete, werden dadurch insbesondere in Tschechien, Polen und Rumänien die Ärzte knapp. Die Ärzte verlassen ihr Heimatland, da die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung dort schlecht sind. Auch angesichts des Ärztemangels in Deutschland wird die Bundesrepublik für ausländische Ärzte immer attraktiver, denn dadurch steigt die Nachfrage nach qualifiziertem Fachpersonal. Im Bereich Medizin kann man daher ohne Probleme von einem Arbeitnehmermarkt sprechen. Im Jahr 2012 arbeiteten 28.310 ausländische Ärzte in Deutschland, 2013 waren es schon 31.236.
Werner Keggenhoff, Präsident des Landesamtes Rheinland-Pfalz für Soziales. Jugend und Versorgung, fasst zusammen: „Unser Gesundheitssystem stützt sich mehr und mehr auf Fachkräfte aus dem Ausland.“ Es werde zunehmend schwieriger, den Bedarf an Ärzten hierzulande mit Absolventen aus Deutschland zu decken. Nach Angaben des 1. Vorsitzenden des Marburger Bundes, Rudolf Henge, lägen die Zuwachsraten ausländischer Ärzte in deutschen Kliniken seit Jahren bei über zehn Prozent.
Trotz der steigenden Gesamtzahl berufstätiger Ärzte spricht man gemeinhin von einem Ärztemangel in Deutschland. Laut Bundesärztekammer stieg die Zahl der Ärzte in Deutschland im Jahr 2013 um 2,5 Prozent auf genau 357.252 an. Der demografische Wandel und medizinischer Fortschritt führen allerdings gleichzeitig zu einem erhöhten Bedarf an medizinischem Personal. Allein im Freistaat Bayern sank die Zahl der Allgemeinmediziner zwischen 2004 und 2014 um elf Prozent von 5.819 auf 5.194 Ärzte. Die Zahl der niedergelassenen Hausärzte sank im gleichen Zeitraum um ein Prozent. Laut Angaben der Bundesärztekammer sei in ganz Deutschland die Zahl der Allgemein- und Hausärzte innerhalb der letzten fünf Jahre von über 41.000 auf knapp 37.000 gesunken. Das aktuelle Durchschnittsalter der praktizierenden Ärzte liegt bei ca. 55 Jahren, jedes Jahr geben etwa 2.000 Ärzte ihre Praxis auf. Gerade in ländlichen Gebieten findet sich häufig kein Nachfolger und die Praxen müssen schließen.
Um dieser bedenklichen Entwicklung zu begegnen, werden von der Politik und Verbänden verschiedene Konzepte diskutiert. Im Oktober 2014 schlug Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, vor, durch eine Stärkung medizinischer Versorgungszentren (MVZ) dem Hausärztemangel zu begegnen. Eine weitere Überlegung ist, Kliniken für die ambulante Versorgung zu öffnen sowie Hausärzten finanzielle Anreize für die Eröffnung einer Praxis auf dem Land zu bieten. Doch auf lange Sicht kann Deutschland auf die Anwerbung von Ärzten aus dem Ausland nicht verzichten, wenn der steigende Bedarf gedeckt werden soll. Dennoch sollten für angehende Ärzte Anreize geschaffen werden, damit diese nach der Ausbildung, für die schließlich auch Steuergelder aufgewendet werden, nicht abwandern. Diese Anreize müssen nicht unbedingt finanzieller Natur sein, immer häufiger stehen bei der Kritik am Arztberuf die Arbeitsbedingungen – hohe Wochenarbeitszeit, unbezahlte Überstunden, Nachtdienste ohne Freizeitausgleich – im Vordergrund. Hier ist die Politik gefragt, bessere Voraussetzungen zu schaffen.