Seit der Präsentation der Smartwatch von Apple am 9. März hat die Diskussion um tragbare Computersysteme wieder an Fahrt aufgenommen. Als Vorreiter im Bereich dieser so genannten Wearables gilt der Sportartikelhersteller Nike. Dieser hatte 2006 einen Chip in Sportschuhe integriert, der Daten wie die gelaufene Distanz, den Kalorienverbrauch oder die Geschwindigkeit misst und an das Smartphone sendet. Damit war der Grundstein für die Entwicklung gelegt. Mittlerweile finden im Rahmen der Quantified-Self-Bewegung immer mehr solcher Geräte den Weg auf den Markt. Schätzungen zufolge wird dieser Markt weiter wachsen: Experten rechnen damit, dass der Markt für Wearables im Fitness- und Gesundheitsbereich im Jahr 2016 fünf Mrd. Dollar groß sein wird.
Neben Lifestyle-Produkten gibt es immer mehr Wearables-Angebote, die dem Monitoring von Gesundheitsdaten dienen. Neben dem diagnostischen Aspekt können medizintechnische Wearables Patienten den Alltag mit spezifischen Krankheiten erleichtern. Ein Beispiel bildet ein Sensor des Herstellers Abbott, der derzeit von der Krankenversicherung DAK getestet wird. Dieser misst in Echtzeit nicht-invasiv über die Haut den Blutzuckerwert. Die Daten werden kabellos an ein Lesegerät übertragen. Das Monitoring erlaubt eine noch genauere Anpassung der Insulindosis, wodurch Langzeitfolgen der Krankheit reduziert werden können.
Auch bestehende Wearables, die nicht in erster Line für die Anwendung in der Medizin geplant waren, können dennoch für diese Zwecke eingesetzt werden. So hat das Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston drei Monate lang den Einsatz der Datenbrille Google Glass in der Notaufnahme getestet. Die am Test beteiligten Ärzte bewerteten insbesondere die Möglichkeit, am Bett des Patienten auf klinische Daten zuzugreifen, und gleichzeitig die Hände frei zu behalten, als stärkste Funktion. Eine Sonderform von Wearables sind so genannte smarte Textilien. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und die Anwendungsmöglichkeiten umfassen beispielsweise die Überwachung der Atem- und Herzfrequenz, das Monitoring von Wundheilungsprozessen und Bewegungsabläufen, aber auch die Optimierung von medizinischen Produkten wie Spezialschuhe, Prothesen und Orthesen. Auch Textilien mit biochemischen Sensoren, die die Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten messen können, sind denkbar. Forscher der britischen Universität Bristol arbeiten derzeit an der Entwicklung einer Hose aus einem smarten Material, in welches künstliche Muskeln eingearbeitet sind. Die Hose soll die eigene Muskelkraft der Träger unterstützen und damit beispielsweise das Treppensteigen erleichtern, die Stabilität und das Gleichgewicht erhöhen und somit Stürze vermeiden helfen. Die Forscher rechnen damit, dass derartige Entwicklungen über kurz oder lang Gehhilfen und Treppenlifte zumindest teilweise ersetzen werden.
Durch den engen Körperkontakt werden besondere Ansprüche an die Technik gestellt. Bei Wearables besteht die Gefahr, dass die Elektronik von transienten, elektrostatischen Entladungen (ESD) beschädigt werden kann. Diese wird vom Träger selbst verursacht und kann schon durch eine einzige Berührung über Knöpfe, Sensorenkreisläufe oder Schnittstellen ins Gerät eindringen. Um diese Gefahr zu minimieren, arbeiten Anbieter von Halbleiter-basierten Schutzkomponenten gegen ESD bereits daran, die Fähigkeiten derartiger Lösungen zu verbessern.Insgesamt verspricht die Medizintechnik, ein sehr interessantes Umfeld für Wearables zu sein. Auch im Bereich Homecare und Ambient Assisted Living sind zahlreiche Anwendungen vorstellbar. Auch wenn einer Studie von TNS Infratest und dem Bundesverband der Hörgeräte-Industrie (BVHI) zufolge die Mehrheit der Bevölkerung noch mit Wearables hadert, ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Entwicklung derartiger Anwendungen und Produkte in Zukunft zunehmen wird. Der Nutzen für die Gesundheitsversorgung kann bei entsprechend ausgereifter Technik als hoch eingeschätzt werden, wie das Beispiel des Blutzucker-Monitorings zeigt. Die Notwendigkeit, sich mehrmals täglich in den Finger zu stechen, entfällt durch die neue Messmethode. Dies erhöht auch die Patientenzufriedenheit und Therapietreue.