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Bluttransfusionen retten nach Unfällen, bei Krebserkrankungen oder komplizierten Operationen Leben. Allerdings kann ein sorgloser Gebrauch von Bluttransfusionen mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen. Dabei ist nicht das Risiko von einer Ansteckung mit HIV, Hepatitis etc. gemeint. In dieser Hinsicht sind Transfusionen von Blutkonserven aufgrund hoher Sicherheitsauflagen wie einer sorgfältigen Spenderauswahl und molekularbiologischer Tests heutzutage sehr sicher, das Risiko einer Übertragung kann nahezu ausgeschlossen werden. Eine Bluttransfusion birgt allerdings in Extremfällen das Risiko einer Schwächung des Immunsystems, in Extremfällen sogar von Herzinfarkt, Schlaganfall und langfristig sogar Krebs. Die Effekte sind auch noch Jahre nach der Transfusion nachweisbar. Doch nicht nur deswegen sollten Blutprodukte sparsam und nur im Notfall eingesetzt werden.

Einsparmaßnahmen, die nicht nur Kosten sparen, sondern auch Leben retten

Man muss sich klarmachen: Eine Bluttransfusion ist wie eine Organtransplantation, bei der Abstoßungsreaktionen auftreten können. Selbst bei übereinstimmender Blutgruppe und gleichem Rhesusfaktor reagiert das Immunsystem auf den „Fremdkörper“. Es kommt zu einer Schwächung der Immunabwehr, der so genannten „transfusion-associated immunomodulation“ (TRIM), wodurch das Risiko steigt, an Infektionen wie Pneumonie oder Sepsis zu erkranken . Erstmals nachgewiesen wurde dieses Phänomen in den 1970er Jahren im Rahmen von Nierentransplantationen. Darüber hinaus sind Verklumpungen des Blutes in den Gefäßen des Empfängers möglich. Die Folge: Organversagen oder Lungenödeme. Zwei Studien aus den USA zeigen, dass ein restriktiver Einsatz von Bluttransfusionen sich nicht nur positiv auf die Sterblichkeit der Patienten, sondern auch auf das Krankenhausbudget auswirkt. Dafür wurden an einem Klinikkomplex niedrigere Grenzwerte für den Einsatz von Blutprodukten festgelegt. Statt ab einem Hämoglobinwert von unter zehn g/dl wurden erst bei einem Wert unter sieben g/dl Transfusionen indiziert. Zusätzlich wurde bei Bestellungen der Produkte ein Alarmsystem etabliert, welches den Bestellvorgang der Ärzte unterbricht, wenn diese ein Blutprodukt für Patienten ordern, die nicht den neuen Kriterien entsprechen. Der Mediziner kann dann die Bestellung entweder abbrechen oder mit einem Bestätigungsgrund fortsetzen. Durch diese Maßnahmen konnte die Anzahl der verwendeten Blutprodukte deutlich gesenkt werden: Im Jahr 2012 lag sie um 24 Prozent niedriger als 2009, dem Jahr vor der Einführung. Die Klinik konnte dadurch allein in dem Jahr 1,62 Mio. Dollar einsparen. Auch auf die Mortalität der Patienten, die eine Transfusion erhielten, sank deutlich von 55 auf 33 Prozent. die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthaltes sank von 10,1 auf 6,2 Tage.

Weniger Transfusionen durch Patient Blood Management

Um Fremdblutprodukte rationaler einzusetzen sowie um Anämie und Blutverlust zu reduzieren und zu vermeiden, wurde in vielen Kliniken, auch in Deutschland, das Patient Blood Management (PBM) eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein klinisches, multimodales und patientenzentriertes Konzept mit präventivem und korrektivem Einfluss auf Risikofaktoren, welche üblicherweise zu Bluttransfusionen führen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen. Die Anwendung des PBM-Konzeptes erstreckt sich über alle Bereiche der Medizin, die sich mit der Behandlung mit Blut und Blutprodukten auseinandersetzen.

Zwar ist es nicht möglich, komplett auf die Gabe des Blutes freiwilliger Blutspender zu verzichten, wo es allerdings machbar ist, sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, um es dem Patienten zu ermöglichen, aus eigener Kraft zu genesen. So wird beispielsweise im Vorfeld geplanter, großer Operationen geprüft ob eine Blutarmut vorliegt und ob diese behandelbar ist. In diesem Falle wird der Körper beispielsweise durch die Gabe von Eisen unterstützt, wieder mehr eigenes Blut zu bilden. Zusätzlich wird während und nach der Operation blutspendender gearbeitet: Es wird darauf geachtet, dass die Blutgerinnung des Patienten ausreichend funktioniert, Wundblut wird aufbereitet und zurückgegeben, zusätzlich wurde das Volumen von Blutentnahmeröhrchen verringert. So können jährlich zwischen 1.000 und 2.000 Liter weniger Blut zu Laborzwecken abgenommen werden. Zusammengefasst: Das Blut soll bleiben, wo es hingehört, im Körper des Patienten. Der Erfolg des Programms zeigt sich auch in absoluten Zahlen. So erhielten im Jahr 2013 Patienten in Deutschland knapp 5,5 Mio. Transfusionen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit rund sieben Prozent weniger Blutprodukte genutzt.

Das Problem ist: Bisher gibt es keine wirkliche Alternative zur Blutkonserve, besonders in Notfällen. Bei im Vorfeld planbaren Eingriffen sollten allerdings die bestehenden Möglichkeiten wie die Gabe von Eisen oder die Aufbereitung von eigenem Blut während der OP genutzt werden, um unnötige Risiken zu vermeiden.