Seite wählen

Wer das Gesundheitssystem nur aus der Kostenperspektive betrachtet, vergisst einen wichtigen Faktor: Die Ausgaben für Gesundheit sind zwar hoch und steigen weiter, aber die Branche schafft auch Beschäftigung, kurbelt die Exportquote an und wirkt als Wirtschaftsmotor. Das wurde durch aktuelle Zahlen erneut bestätigt. Fast jeder neunte Arbeitsplatz ist demnach direkt in der Gesundheitswirtschaft angesiedelt, jeder fünfte mit ihr verknüpft, so das Ergebnis der „Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung II“, die am 5. Mai in Berlin vorgestellt wurde. Insgesamt wächst die Gesundheitswirtschaft mit jährlich 2,3 Prozent stärker als die Gesamtwirtschaft, die pro Jahr um 1,5 Prozent zulegt.

Gesundheitswirtschaft – Kein Markt wie jeder andere

Im Jahr 2014 waren 6,2 Mio. Menschen in der Gesundheitswirtschaft beschäftigt, rund 1,3 Mio. mehr als im Jahr 2000. Der Anteil an den gesamten Erwerbstätigen stieg damit von 12,3 auf 14,8 Prozent. Insgesamt ist in der Gesundheitswirtschaft mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum der Erwerbstätigen von 1,8 Prozent stets ein höheres Wachstum als im gesamten Arbeitsmarkt (0,5 Prozent)) festzustellen. Die meisten Arbeitsplätze werden derzeit im Bereich der Langzeitpflege geschaffen. Auch während und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise stieg die Zahl der Arbeitsplätze weiter an. Die Gesundheitswirtschaft zeigte sich damit, anders als beispielsweise das verarbeitende Gewerbe, auch in den vergangenen Krisenjahren stabil. Seit 2000 erweist sie sich zudem als Wachstumstreiber und konnte die Wachstumsraten der Gesamtwirtschaft in fast allen Jahren übertreffen. Im Jahr 2014 stieg die Bruttowertschöpfung der deutschen Gesundheitswirtschaft auf 279 Mrd. Euro. Ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft betrug damit 11,1 Prozent. Die Besonderheit der Gesundheitswirtschaft: Sie ist nicht nur wirtschaftlichen Effizienz- und Wachstumskriterien unterworfen, sondern muss jederzeit auch gesellschaftlichen und ethischen Anforderungen genügen. Der Markt ist einer vergleichsweise starken Regulierung unterworfen und weist besondere Strukturmerkmale wie Selbstverwaltung und Trägervielfalt auf. Darüber hinaus ist er durch sektorale Strukturen und Grenzen gekennzeichnet.

Bedarf größer als Zahl ausgeschriebener Stellen

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gab Ende April bekannt, dass die Zahl der freien Stellen in Deutschland saisonbereinigt auf ein Rekordhoch gestiegen sei. Vier Fünftel der Branchen suchten demnach neue Mitarbeiter, ganz besonders Unternehmen der Gesundheitsbranche. Auf diese entfielen rund zehn Prozent der unbesetzten Stellen. In einigen Bereichen dürften deutlich mehr Arbeitskräfte benötigt werden als die Anzahl offener Stellen vermuten lässt. Gerade in der Pflege herrscht jetzt schon Fachkräftemangel, der sich aufgrund des demografischen Wandels weiter verschärfen wird. Dabei hat die Branche ein Nachwuchsproblem. Der Gesetzgeber versucht bereits, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern und den Beruf attraktiver zu gestalten. Dazu zählen die Anhebung des Mindestlohns sowie die geplante Generalisierung der Pflegeausbildung. Nach aktuellen Statistiken bestehen große Unterschiede bei den Ausbildungsanfängern. Von diesen entscheiden sich weitaus mehr für eine Ausbildung in der Altenpflege als in der Krankenpflege. Auch die Gewerkschaft ver.di forderte im Zuge der anstehenden Krankenhausreform eine deutliche Aufstockung des Pflegepersonals. Aus dem Bereich Krankenpflege kämen immer mehr Gefährdungsanzeigen aufgrund gestiegener Arbeitsbelastung. Trotz Überstunden sei die Arbeit kaum noch zu schaffen, die Sicherheit der Patienten daher gefährdet. Die Pläne der Bundesregierung greifen nach Ansicht der Gewerkschaft zu kurz, die geplanten Mittel reichten nicht einmal aus, um je Krankenhaus eine Vollzeitstelle zusätzlich zu schaffen.

Generell müssen in fast allen Bereichen der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Zukunft  Stellen geschaffen werden, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Nicht jeder Pflegebedürftige kann von Angehörigen oder ambulanten Pflegediensten betreut werden! Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass sich das Wachstum in der Gesundheitswirtschaft langfristig verlangsamen, aber dennoch weiter über dem Wachstum der Gesamtwirtschaft liegen wird, da der Bedarf nach Produkten und Dienstleistungen konstant steigen wird. Gesetzliche Regelungen, die einen starken Preisanstieg dieser verhindern sollen, dämpfen das Wachstum allerdings. In Zukunft muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden, der sowohl Wachstum und Beschäftigung sichert, als auch die finanziellen Belastungen (der Versicherten) begrenzt.