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Jedes Jahr werden allein in deutschen Laboren und Forschungseinrichtungen Millionen von Versuchstieren verwendet, der überwiegende Teil der Tiere überlebt die Experimente nicht oder wird nach den Tests getötet. Dagegen wächst nicht nur unter Tierschützern Widerstand. Zu vielen Versuchen, die zuvor nur im Tiermodell durchgeführt werden konnten, gibt es mittlerweile zahlreiche Alternativen. Nun kommt bald noch eine dazu: Forscher entwickeln derzeit einen neuartigen Gewebe-Bioreaktor, in dem Augengewebe außerhalb des Körpers kultiviert werden kann. Das Besondere: Das Augengewebe wird nicht von Labortieren, sondern aus Schlachtabfällen gewonnen.

Bislang konnte Augengewebe außerhalb des Körpers kaum erhalten werden, die Forschung war deshalb auf lebendige Versuchstiere angewiesen. Physiker und Biologen der Universität Leipzig entwickeln nun mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren Langzeit-Kulturmethoden von adultem Augengewebe. Grundlage bildet der Einsatz spezieller nanostrukturierter Substrate. Diese liefern die Grundlage für den Bioreaktor sowie die Erforschung der biomechanischen Eigenschaften des Augengewebes.

Die Wissenschaftler um Projektkoordinatorin Dr. Mareike Zink versprechen als Ergebnis eine Methode, die als Ersatz für die Versuche an lebenden Tieren zur Erforschung von neurogenerativen Augenerkrankungen sowie Tests von Wirkstoffen, chirurgischen Techniken und Grundlagenforschung dienen kann. „Zum Ende des Projekts wird es möglich sein, in verschiedenen Bereichen der augenmedizinischen Forschung Tierversuche durch Untersuchungen an Gewebe von Schlachttieren zu ersetzen“, so Zink.

Kommentar: Nach einem deutlichen Rückgang stieg die Zahl der Versuchstiere zuletzt wieder an, im Jahr 2012 allein um insgesamt 5,8 Prozent auf insgesamt 3,08 Mio. Tiere, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) berichtet. Hochgerechnet wurden damit pro Tag rund 8.500 Tiere in deutschen Laboren verwendet. Dabei ist zu beachten, dass die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte. Tiere, die bei der Zucht aussortiert und getötet werden oder durch die Haltungsbedingungen sterben, werden in der Statistik nicht erfasst, ebenso die bei der Genmanipulation entstehenden „Ausschusstiere“. Darauf weist die Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche“ hin. Tierversuche sind auch in der Medizin umstritten. So wird häufig die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Tiermodellen auf den Menschen in Frage gestellt. Nicht zuletzt deshalb erfährt die Forschung zu Alternativen zur tierexperimentellen Forschung stetigen Auftrieb.

[ilink url=“https://idw-online.de/de/news635904″] Link zur Quelle (Universität Leipzig)[/ilink]