Seite wählen

Der Innovationsfonds ist aktuell eines der am meisten diskutierten Themen im Gesundheitswesen. Das Gesundheitssystem steht in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor erheblichen Herausforderungen. Die Zahl älterer, chronisch kranker und multimorbider Patienten wird aufgrund des unaufhaltbaren demografischen Wandels steigen, gleichzeitig sinkt die Zahl der Einzahler in das soziale Sicherungssystem. Um auch in Zukunft eine finanziell tragbare und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicherzustellen, muss sich das Gesundheitssystem mit neuen Ideen den veränderten Bedingungen anpassen. Um dies zu beschleunigen, investiert der Bund in den nächsten Jahren insgesamt 1,2 Mrd. Euro in innovative neue Versorgungskonzepte.

Erste Förderung soll schon im Dezember feststehen

Jetzt soll es wirklich ganz schnell gehen: Schon im Dezember sei die Bekanntgabe der ersten Projektförderung geplant. Dies gab der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Jecken, im Rahmen eines Diskussionsforums des Bundesverbands Managed Care (BMC) Mitte September bekannt. Dabei machte er direkt klar, dass zu kleinteilige Projekte sich keine Hoffnung auf eine Förderung machen sollten. Hecken nannte dabei keine Zahlen, es solle aber eine kritische Mindestgröße erreicht werden. Gesucht seien Projekte, die von großen Kassen oder Zusammenschlüssen getragen werden. Die Vorhaben müssen über die bisherige Regelversorgung hinausgehen und insbesondere die Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung zum Ziel haben. Für die Großprojekte sei ein einstufiges Bewerbungsverfahren geplant, ein zweistufiges Verfahren könne für Projekte zur Versorgungsforschung in Betracht gezogen werden.

Im Juli gab der G-BA bereits einige erste Förderkriterien bekannt. Neben dem Ziel einer Verbesserung der Versorgungsqualität und -effizienz müssen die Ergebnisse auf andere Regionen oder Indikationen übertragbar sein. Außerdem sollen spätere Implementierungskosten mit dem Nutzen der Innovationen verhältnismäßig sein. Was Hecken darüber hinaus besonders am Herzen liegt: Die Evaluierbarkeit der Projekte. Ohne ein schlüssiges Evaluationskonzept würde kein Projekt befürwortet. Das genaue Vorgehen wird allerdings noch vom Innovationsausschuss festgelegt, die genauen Förderkriterien sollen bis Mitte Oktober präsentiert werden.

 Rolle des G-BA in der Kritik

Förderschwerpunkte können beispielsweise Telemedizin, Versorgungsmodelle in strukturschwachen Regionen und Modellprojekte zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei multimorbiden Patienten sein. Über die letztendliche Verteilung der Mittel wird der Innovationsausschuss entscheiden, der beim G-BA angesiedelt istDieser setzt sich aus einem Vertreter des G-BA sowie weiteren Vertretern des GKV-Spitzenverbands, der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Bundesministeriums für Gesundheit sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zusammen.

Die Ansiedelung des Ausschusses beim G-BA hat im Vorfeld für einige Kritik gesorgt. Der Vorwurf: Durch die zentrale Rolle des G-BA sei das Selbstverwaltungsprinzip der GKV quasi außer Kraft gesetzt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das BMG so Einfluss auf die Entscheidung des Ausschusses ausüben kann. Dies wird durch den Umstand, dass ein den Ausschuss beratender Expertenbeirat ausschließlich aus vom BMG berufenen Mitgliedern bestehen soll, noch einmal untermauert. Dem G-BA selbst wird seit langem vorgeworfen, er sei ein Instrument der Politik zur Rationierung der Gesundheitsleistungen auf Kosten der Patienten. Patientenorganisationen haben zwar ein Mitberatungs- und Antragsrecht, können allerdings keine eigene Stimme bei Entscheidungen abgeben.

Der Innovationsfonds ist Bestandteil des GKV-Versorgungstärkungsgesetzes und soll ab 2016 vier Jahre lang neue Versorgungsformen sowie die Versorgungsforschung mit jährlich 300 Mio. Euro fördern. Davon sollen jährlich 225 Mio. Euro dazu verwendet werden, neue Versorgungsformen zu fördern, „Die eine Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung zum Ziel haben und hinreichendes Potential aufweisen, dauerhaft in die Versorgung aufgenommen zu werden“ (§ 92a Abs. 1 SGB V). Die übrigen 75 Mio. Euro werden in Projekte der Versorgungsforschung investiert, „die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet“ (§ 92a Abs. 2 SGB V) sind. Antragsberechtigt ist jeder, Produktinnovationen werden allerdings nicht gefördert.

Bislang war es leider trauriger Alltag: Viele sinnvolle Projekte schafften es nicht in die Regelversorgung. Durch den Fonds wird sich das hoffentlich ändern. Das Festlegen einer Mindestgröße ist einerseits zwar organisatorisch sinnvoll, damit gewährleistet werden kann, dass die Innovation auf das gesamte Gesundheitssystem angewendet werden kann, allerdings sind dadurch Ideen benachteiligt, hinter denen keine Verbände und Organisationen stehen und die deswegen weniger Ressourcen aufwenden können.