Was geht vor, Nutzen oder Datenschutz? Diese Frage stellte kürzlich die Stiftung Münch in einer repräsentativen Umfrage. laut dieser steht bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung bei elektronischen Anwendungen im Gesundheitsbereich der medizinische Nutzen im Vordergrund.
Auch im deutschen Gesundheitssystem werden Daten zunehmend elektronisch gespeichert und verarbeitet. Warum also diese Daten nicht nutzen? Das fragt sich auch die Stiftung Münch, die sich im Bereich Netzwerkmedizin engagiert.
Persönlicher Nutzen bestimmt Zustimmung
Die Studie, die vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft durchgeführt wurde, untersuchte das Internetverhalten beim Thema Gesundheit und die Sammlung medizinischer Daten. Erfragt wurde, wie die Bevölkerung die neuen elektronischen Möglichkeiten im Gesundheitsbereich bewertet und wie sie unter Datenschutzaspekten über die Sammlung medizinischer Daten zum Beispiel in Form einer elektronischen Patientenakte (ePA) denkt.
Mehr als 50 Prozent der Befragten stimmen der Einführung einer ePA zu. Wesentliche Vorteile werden bei der Notfallbehandlung, der medizinischen Forschung und der Reduktion von Bürokratie gesehen. Mehr als drei Viertel der Befragten gehen außerdem davon aus, dass Ärzte die Patienten mit einer ePA besser behandeln können, da sie sich ein umfassenderes Bild vom Patienten machen können. All dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Risiken bestehen. 76 Prozent erwarten einen leichteren Missbrauch medizinischer Daten, wenngleich 71 Prozent kein Problem mit der Speicherung ihrer Daten haben, sofern sie wissen, was genau gespeichert wird. 85 Prozent möchten auf ihre ePA selbst zugreifen können. 92 Prozent ist es wichtig, selbst zu bestimmen, wem sie welche Daten anvertrauen. Die Zustimmung ist davon abhängig, ob sich die Personen einen persönlichen Nutzen davon versprechen.
Die Stiftung sprach sich bereits im April dieses Jahres dafür aus, die Einführung von elektronischen Patientenakten im künftigen eHealth-Gesetz zu berücksichtigen. Die bisherige Situation, in der Patientendaten nur unvollständig und unterschiedlich elektronisch erfasst werden, führe zu vielfältigen Nachteilen für Patienten und Ärzte, da den medizinisch Verantwortlichen keine umfassende medizinische Historie der Patienten vorliegt. So steige das Risiko für unnötige und teure Doppeluntersuchungen sowie Fehldiagnosen. Dies könne im schlimmsten Fall auch Patienten das Leben kosten.
Daten „müssen davor geschützt werden, nicht verwendet zu werden“
Die in der ePA erfassten medizinischen Daten könnten und sollten nach Ansicht der Stiftung Münch anonym analysiert und ausgewertet werden. Sie könnten dann für die Versorgungsforschung genutzt werden und damit zur Steigerung der Versorgungsqualität beitragen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass eine strikte Regelung zum Schutz der Daten erstellt und eingehalten wird. Auch die Patienten sollten die Möglichkeit haben, jederzeit Zugriff auf die sie betreffenden Daten zu erhalten. Letztendlich, so die Stiftung, dürfe Datenschutz nicht verhindern, dass alle Patienten von den gewonnen Erkenntnissen profitieren. Die Daten müssten davor geschützt werden, nicht verwendet zu werden. Auch eine langfristige Untersuchung des Fraunhofer-Instituts kommt zu der Einschätzung, dass eine ePA im Sinne des § 291a SGB V aus ihrer Charakteristik einer Datensammlung in der Hoheit des Patienten heraus viele attraktive Nutzungsszenarien eröffnet, die über die einfache Vermittlung von Daten zwischen Ärzten hinausgehen.
Schon jetzt existieren in Deutschland zahlreiche parallele Projekte. Die Einführung einer übergreifenden ePA, wie zuletzt in Österreich, ist allerdings noch Zukunftsmusik. Noch ist die Diskussion von falschen Heilsversprechen und Befürchtungen bestimmt. Dass die Einführung einer elektronischen Patientenakte beachtenswerte Vorteile mit sich bringt, kann nicht wegdiskutiert werden. Sie wird zwar keine Wunder vollbringen können, also weder die Gesundheitskosten auf einen Schlag drastisch reduzieren, noch allen Patienten ein wesentlich längeres und gesünderes Leben ermöglichen. Allerdings könnte sie tatsächlich die Arzt-zu-Arzt-Kommunikation und die Notfallbehandlungen entschieden verbessern.
Datenschutzbedenken sollten dabei aber nicht ignoriert werden, schließlich hängt die Sicherheit der Daten vor allem vom Fortschritt der Informationstechnik ab. Auch die Frage, wer Zugriff auf die gespeicherten Daten haben soll, ist kritisch. Es besteht durchaus Grund zu der Befürchtung, dass „fachfremde“ Institutionen Begehrlichkeiten auf die Daten anmelden, beispielsweise Politik, Versicherungen, Arbeitgeber oder privatwirtschaftliche Unternehmen. Wenn eine derartige, zweckentfremdete Nutzung nicht ausgeschlossen werden kann, dürfte die Zustimmung in der Bevölkerung drastisch sinken.