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Eins ist sicher: E-Health und Telematik werden früher oder später flächendeckend Einzug ins deutsche Gesundheitswesen finden. Mit Ihnen sind große Hoffnungen verknüpft – sie sollen sowohl die medizinische Versorgung verbessern als auch die Ausgaben im Gesundheitswesen senken. Doch können sie diese hohen Erwartungen wirklich erfüllen?

Kosten-Nutzen-Relation noch nicht erforscht

Die Gesundheitskosten steigen weltweit ohne Aussicht ohne eine baldige Erholung, die Gründe sind Fortschritte in der Medizintechnik, aber vor allem auch der demografische Wandel. Eine der drängendsten Sorgen von Politik, Kassen und Patienten ist es, die Kosten bei gleichzeitig hoher Versorgungsqualität zu kontrollieren.

Regulierungsmaßnahmen wie das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), Praxisgebühr, Ausschreibungsverfahren etc. erzielten allerdings bislang nicht den gewünschten Einspareffekt oder führten sogar zu einer verschlechterten Versorgung (Beispiel: Inkontinenzversorgung!), nun sollen es E-Health-Anwendungen richten. Verfolgt man die Berichterstattung hierzu, ist diese durch die Betonung einzelner positiver oder negativer Auswirkungen geprägt. Hier wäre etwas mehr Realitätsbezug wünschenswert. Tatsächlich wurde dieses Feld noch nicht tiefergehend wissenschaftlich untersucht. Es mangelt nicht nur an belastbaren Daten zur Wirksamkeit, sondern vor allem auch zu Kosten und Nutzen von E-Health-Anwendungen in Deutschland, auch um die Kostenübernahme durch Krankenkassen zu klären und um Investitionen in diesen Bereich anzukurbeln.

Bisherige Studien zu bestimmten Teilbereichen bescheinigen E-Health-Anwendungen durchaus Potenzial. Sie können die Zeit bis zur Diagnose verkürzen, den Zugang für Patienten in strukturschwachen Gebieten verbessern und die Effizienz steigern. Kosteneinsparungen sind beispielsweise durch die Vermeidung von Krankenhauseinweisungen möglich. Aber nicht jede Studie kommt zu diesem Ergebnis. Das Problem ist damit die Inkonsistenz der aktuellen Forschungslage. So kann noch kein Einspareffekt im Gesundheitswesen durch E-Health-Anwendungen beziffert werden.

Deutschland hat kein Innovations-, sondern ein Infrastrukturproblem

Um E-Health dennoch zu fördern und gleichzeitig zu reglementieren, soll in Deutschland aber nun sogar ein eigenes Gesetz implementiert werden. Im Juli befasste sich der Deutsche Bundestag erstmals mit dem Entwurf eines „Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“. Schon ringen Verbände und Lobbyisten um Einfluss auf die Gestaltung des Gesetzes. Auch wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) darauf pocht, „interessenpolitisches Klein-Klein“ dürfe es nicht mehr geben – die Erfahrung hat zu oft gezeigt, dass oft genau das passiert: Gesetze werden im Sinne von einflussreichen Interessensgruppen abgeändert.

Auch sonst nimmt schon seit Langem das Gerangel im Bereich E-Health groteske Züge an, das prominenteste Beispiel ist hier sicher die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Bis heute kostete das bislang größte IT-Projekt Deutschlands schon stolze 1,2 Mrd. Euro, für bis jetzt nicht mehr als ein Foto des Versicherten auf der Karte und einen Stammdatenabgleich, bei dem auch erst darum gerungen werden musste, wer denn nun dafür zuständig ist. Zusätzlich sorgte für Aufregung, dass die eGK schon bald ausgetauscht werden muss, da sie nicht mehr künftig geplanten Datensicherheitsstandards entspricht. Sicher nicht die besten Voraussetzungen für E-Health in Deutschland, und ein Zeichen dafür, dass Deutschland weniger ein Innovations- als vielmehr ein Infrastrukturproblem hat. So sinnvoll ein eigenes Gesetz ist, allein auf die Politik darf sich das deutsche Gesundheitswesen in Sachen E-Health nicht verlassen. Innovationen werden eher von Unternehmen und der Wissenschaft ausgehen.