Der demografische Wandel ist das Schreckgespenst des Gesundheitswesens. Menschen werden immer älter, die Ausgaben steigen, der finanzielle Kollaps des Systems ist nur noch eine Frage der Zeit. So lassen sich, mit einem gewissen Maß Pessimismus, die Meldungen der letzten Jahre zusammenfassen. Tatsächlich werden enorme Anstrengungen notwendig sein, um die steigende Zahl der Leistungsempfänger und die sinkende Zahl von Beitragszahlern abzufedern. Erste Maßnahmen wurden bereits in die Wege geleitet. Dabei kann es aber nicht bleiben.
Ausgaben und Beiträge steigen – Wer zahlt die Zeche?
Kurz vor Jahresende veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das Finanzergebnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Demnach habe sich die Finanzsituation der GKV im dritten Quartal gegenüber dem ersten Halbjahr verbessert. Während im ersten Halbjahr noch ein Minus von 492 Mio. Euro erwirtschaftet wurde, konnte in den Monaten Juli bis September ein Überschuss von 96 Mio. Euro erzielt werden. Die daraus resultierende Differenz von 395 Mio. Euro zwischen Einnahmen und Ausgaben ließe sich dadurch erklären, dass etliche Krankenkassen einen niedrigen Zusatzbeitrag erheben. Ohne diese Mindereinnahmen ergäbe sich für die 123 gesetzlichen Krankenkassen in den ersten drei Quartalen ein Überschuss von knapp 200 Mio. Euro. Besonders die Arzneimittelkosten steigen seit Jahren stark an. Grund sind unter anderem hohe Ausgaben für neu zugelassene Arzneimittel.
Obgleich das BMG von einer soliden Finanzstruktur spricht, müssen Versicherte Beitragssteigerungen akzeptieren. Diese bewegen sich, soweit schon Daten vorliegen, im Bereich von 0,2 Prozent, aus der Reihe schlägt die DAK Gesundheit. Diese plant laut bislang unbestätigten Medienberichten eine Erhöhung des Zusatzbeitrags um bis zu 0,6 Prozent. Wie lange sich der eingefrorene Arbeitgeberbeitrag angesichts dieser Entwicklung noch halten wird, ist unsicher. Noch hat es das Thema nicht an die Spitze der Agenda geschafft, wird allerdings von vielen unterschiedlichen Beteiligten bereits merkbar diskutiert.
Prävention: Zunächst teuer, langfristig billiger?
Eine Studie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) kommt zu dem Ergebnis, dass das aktuelle Gesundheits- und Pflegesystem nicht ausreichend auf die Bedürfnisse Älterer eingeht. Dies führe aktuell zu hohen, laut PwC unnötigen, Kosten. Schon heute seien die Pro-Kopf-Ausgaben bei 66-bis 86-jährigen aufgrund von Doppeluntersuchungen und häufigen Krankenhausaufenthalten fast doppelt so hoch wie bei jüngeren Versicherten. Grund seien nicht nur fehlende Absprachen der behandelnden Ärzte. Vielmehr würden Senioren viel zu häufig stationär behandelt. Nicht jede Einweisung sei zwingend notwendig, so PwC. Häufig könne eine integrierte Pflege stationäre Aufenthalte verhindern oder wenigstens verkürzen.
Das Gesundheitssystem biete alten Menschen aktuell noch kaum Unterstützung und frage nicht nach ihren Bedürfnissen. Eine Vernetzung der medizinischen Programme und Fördermaßnahmen für mehr Selbständigkeit könnten dazu beitragen, das Gesundheitssystem angesichts des demografischen Wandels dauerhaft zu finanzieren. Ein erster Schritt stellt das zweite Pflegestärkungsgesetz dar, das am 1. Januar statet. Danach soll Pflege so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden stattfinden. Dafür sollen Rehabilitationsprogramme stärker in die Pflege integriert werden, nach dem Grundsatz: Reha vor Pflege. Die Gruppe der älteren Menschen wird in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten spürbar steigen. Daher fallen Reformen hier auf besonders fruchtbaren Boden.
Vorbeugen ist besser (und langfristig günstiger) als heilen – das haben offensichtlich auch die Kassen erkannt. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes steigerten sie ihre Leistungen für Prävention im Jahr 2014 um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit beliefen sich die Gesamtausgaben auf 293 Mio. Euro. Der größte Anteil floss laut Verband in die betriebliche Vorsorge, gefolgt von individuellen Kursangeboten zur Gesundheitsförderung. Das Präventionsgesetz verpflichtet die Kassen ab 2016, die Investitionen in Präventionsangebote von drei auf sieben Euro je Versichertem mehr als zu verdoppeln. Doch nicht nur die Krankenkassen, auch die Pflegekassen, Renten- und Unfallversicherung werden ab kommendem Jahr stärker eingebunden.
Auf dem Papier sieht es inzwischen so aus, dass die Gesundheitsausgaben nicht (nur) durch rigorose Sparmaßnahmen und Leistungskürzungen unter Kontrolle gehalten werden sollen, sondern auch durch Prävention. Tatsächlich ist es aber noch Realität, dass die Kosten steigen und damit die Beiträge für die Versicherten. Durch den reformfreudigen Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) werden weitere Ausgaben auf die GKV zukommen. Dies wird sich ohne Zweifel auf die Beitragshöhe auswirken. Wenn die Reformen die intendierte Wirkung zeigen, könnte das die Kosten, im Idealfall, mittelfristig auf relativ konstantem Niveau halten. Das kann aber nur der Anfang sein, das Gesundheitssystem wird auch in Zukunft kein Selbstläufer, sondern muss regelmäßig analysiert und angepasst werden.