Durch eine neue, ab dem 26. Mai 2020 geltende Europäische Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation/MDR) haben es Gesundheits-Apps entwickelnde Start-ups zukünftig schwerer. Die neue Verordnung führt dazu, dass die Apps als Medizinprodukte in höhere Risikoklassen als bisher eingestuft werden. Hintergrund ist auch der Skandal um minderwertige, mit Industriesilikon gefüllte Brustimplantate aus Frankreich, der in stärkeren Regulierungsmechanismen auf europäischer Ebene und somit in einer höheren Risikoeinstufung von entsprechenden Medizinprodukten mündete.
Wie der Digitalverband Bitkom klarstellt, wird es bei Software, die nicht Bestandteil eines Medizinproduktes ist, nicht nur auf die direkte Interaktion des Medizinproduktes, sondern auch das Risikopotential beispielsweise falsch generierter Information als Basis für medizinische Entscheidungen ankommen. Somit ist für Apps eine Einstufung bis hin zur Klasse III (höchste Risikoklasse) möglich. Sogenannte Lifestyle-Apps zählen allerdings nicht zu den medizinischen Apps, wenn sie nicht für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmt sind.
Für Dr. Philipp Wien, Leiter des Referats Gesundheitswirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), müssen die Health-Start-ups sich neuen Herausforderungen wie den im Detail noch unklaren aber höheren Anforderungen durch die MDR stellen, die zu erheblichen Innovationshemmnissen führen können, da gleichzeitig auch die Kostenerstattungsebene betrachtet werden müsse. Neue Klassifizierungsregeln werden in längeren Zertifizierungsprozessen resultieren, was den Start-ups, die einem permanenten finanziellen Druck ausgesetzt sind, nicht gerade entgegen komme.
Um die Start-ups zu entlasten, spricht sich Wien für die Etablierung eines Innovationsbüros aus, welches die Unternehmer beratend unterstützt. Bisher gebe es zwar ein Innovationsbüro beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), allerdings halte es keine Beratung zur Kostenerstattung vor. Generell mangele es dem Gesundheitssektor an einem zentralen sozialrechtlichen Bewertungs- und Zugangsverfahren, das sich mit den Besonderheiten von digitalen Medizinprodukten auseinandersetzt und eine systematische Integration dieser Produkte in die Regelversorgung sicherstellt. Auch die Einbeziehung von Unternehmen müsse insgesamt verbessert werden. Ein kontinuierlicher Dialog sei mit einem umfassenden Beratungsangebot sichergestellt. Weiter wäre so eine frühzeitige Auseinandersetzung mit regulatorischen Anforderungen bei der Konzeption digitaler Produkte gewährleistet.
Quelle: Ärztezeitung