Auf dem 128. Deutschen Ärztetag in Mainz wurden unter anderem Interviews mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, geführt. Demnach halten viele dieser und anderer Expertinnen die ambulante und stationäre Pflege für zermürbend und stressig für alle Akteure des Pflegeprozesses. Unter den Pflegekräften baut sich Frust und massive Arbeitsüberbelastung auf. Auch sind Patientinnen, Pflegebedürftige und Angehörige von mangelhafter Zuwendung, Personalnot und weiteren Missständen umgeben, weil Schichten in der Pflege teilweise mit Fachkräften unbesetzt beziehungsweise nur teilbesetzt sind.
Wegen Personalmangel allerorts gibt es Angebotseinschränkungen und Neukunden-Ablehnungen. Ein Pflegefachkraft-Mangel ist allein schon durch den demografischen Wandel der Gesellschaft gegeben, erklärt Lauterbach, der 2023 1,7 Millionen Pflegekräfte in Arbeit gezählt hat. Davon waren 1,39 Millionen Personen Frauen, die zu etwas mehr als 50 Prozent in Teilzeit arbeiteten. In 15 Jahren werden etwa sechs Millionen Pflegebedürftige erwartet, sodass mit einem noch krasseren Engpass bei den Pflegefachkräften zu rechnen ist. Schätzungen ergaben, dass im Jahr 2049 280.000 bis sogar 690.000 Fachkräfte fehlen werden. Fachleute, wie der Bundesgesundheitsminister, sind für die Werbung von ausländischen Arbeitskräften, die heute schon 16 Prozent des Stammpersonals stellen. Lauterbach hat zudem ein Instrument zur Messung des Pflegepersonalbedarfs gefordert, das in einigen Teilen des Gesundheitswesens bereits eingesetzt wird. Allerdings wird es zunehmend schwieriger, Personal in der Pflege zu finden, weil die Attraktivität des Pflegeberufes in vielen Teilen zu wünschen übriglässt. Auch das vom Bundesgesundheitsministerium entworfene Pflege-Kompetenzgesetz, das gemäß Qualifikationen Pflegenden mehr selbstständiges Handeln gestatten soll, muss erst einmal zum Tragen kommen, damit die Versorgung in Deutschland langfristig nicht gefährdet wird. Es gilt zudem Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern, um Fachkräfte ausbilden zu können, denn Pflege-HelferInnen gibt es zuhauf. Weitere Pflegebelastungsfaktoren sind steigende Kosten, weil auch die Tariflöhne in der Pflege stetig steigen. Fachleute plädieren deshalb unter anderem für die Zahlung eines Beitragsplus` von kinderlosen Paaren oder Ein-Kind-Ehen, die Defizite von 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2025 mit ausgleichen könnten. Lauterbach glaubt auch, dass das heutige Modell der Beitragsfinanzierung der Pflegeversicherung vor dem Aus steht. Als Unterstützung sind seiner Meinung nach Steuermittel unabwendbar.
Quelle: aerzteblatt.de