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Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung will sich gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen lassen. Gerade bei medizinischem Personal wäre dies sehr sinnvoll. Doch eine mangelnde Impfbereitschaft unter Ärzten und Pflegekräften zeigt eine andere Tendenz. Während laut einer nicht repräsentativen, anonymen Umfrage immerhin 75 Prozent der Ärzte geimpft werden wollen, lehnt jeder Zweite der Pflegekräfte eine Impfung ab. Aber eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen, ist vage, weil viele Menschen ganz unterschiedliche Ängste und Befürchtungen haben, die es zu respektieren gilt, erklärt die Oberärztin für klinische Ethik am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Annette Rogge.  

Sie hält eine Diskussion über eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal, wie von Markus Söder (CSU) angestoßen, für viel zu verfrüht. Denn ihrer Ansicht nach gibt es (noch) zu viele schwammige Annahmen, statt gesicherter Fakten. So weiß man immer noch nicht, ob Geimpfte Überträger des Virus sein können. Zurzeit gibt es keine wissenschaftlich stabilen Erkenntnisse darüber. Der Deutsche Ethikrat beispielsweise hat den Vorschlag gemacht, eine „bereichsbezogene Impfpflicht“ einzuführen. Das Gremium ist sich aber auch über die mangelnde Klärung der Ansteckung bewusst und reagiert daher eher zurückhaltend. Fachkräfte dieses Bereichs sind laut Rogge ein derzeit unschätzbares. Die Diskussion sei angesichts voller Intensivstationen und zu wenig verfügbaren Impfstoffdosen verfrüht. Außerdem befürchten Arbeitsrechtler Klagewellen und Kündigungen, wenn es eine gesetzliche Impfpflicht geben würde. Wenn die nicht geimpfte Pflegekraft dann jemanden beispielsweise im Altenheim ansteckt und dieser verstirbt, droht Klage bis hin zur Strafverfolgung. Die Medizinethikerin Rogge kann beide Perspektiven – Pflegebedürftige und medizinisches Personal – verstehen, weil zwei ganz unterschiedliche Gruppen immer diverse, aber auch nachvollziehbare Ansichten haben.  

Daher könnten vor allem bei zögerndem Gesundheitspersonal Aufklärungsangebote und wiederholte Beratungsgespräche helfen, Zweifel und Ängste auszuräumen, sodass kein Zwang zum Impfen bestehen muss. Sollten dann doch Menschen die Impfung ablehnen, werden sie ihre triftigen Gründe dafür haben, ist sich die Expertin sicher.   

Quelle: apotheken-umschau.de