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Auch für Chirurgen gilt der Grundsatz „Übung macht den Meister“. Je häufiger ein Chirurg eine bestimmte Operation durchführt, desto geübter und routinierter wird er bei seinen Handlungsabläufen und desto geringer ist auch das Risiko für den Patienten, Opfer eines  ärztlichen Kunstfehlers zu werden. Zur Qualitätssicherung bei chirurgischen Eingriffen hat der G-BA daher im Jahr 2004 die sog. Mindestmengenregelung eingeführt. Diese gibt vor, dass Kliniken einige genau definierte Eingriffe nur durchführen dürfen, wenn sie eine Mindestanzahl davon pro Jahr auch tatsächlich vornehmen. Wer diese Anzahl nicht nachweisen kann, darf die Operation nicht mehr anbieten. Zu den von der Mindestmengenregelung betroffenen Operationen zählen derzeit acht Operationen. So zum Beispiel schwierige Eingriffe an der Speiseröhre und an der Bauchspeicheldrüse, verschiedene Organtransplantationen und die Knie-Totalendoprothese.

Nun hat die Arbeitsgruppe um Max Geraedts von der Universität Witten/Herdecke die jährlichen Qualitätsberichte der letzten zehn Jahre von 1983 Kliniken ausgewertet und festgestellt, dass dieMindestmengenregelung nicht immer korrekt eingehalten wird. Bei 481 Kliniken wurde mindestens einer jener Eingriffe vorgenommen, der unter die Mindestmengenregelung fällt. An der Speiseröhre und der Bauchspeicheldrüse wird fast in der Hälfte der Fälle in Häusern operiert, die die Mindestmengen dafür nicht erfüllen. Größeren Respekt haben die Kliniken scheinbar bei Organtransplantationen und Knie-Totalendoprothesen. Hier halten sioe sich am ehesten an die Vorgaben.

Der Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Großhadern in München, Karl-Walter Jauch, bezeichnet dies als ein „fragliches Dokumentationsgebaren“ und nennt vergleichbare Beispiele aus anderen medizinischen Bereichen. In Bayern liege das Gewicht von Neugeborenen oft gerade eben unter bestimmten Schwellenwerten. Dazu muss man wissen, dass diese Schwellenwerte für die Abrechnung der Fallpauschalen, der so genannten Disease-Related-Groups oder DRGs,  entscheidend sind: Wird ein bestimmten Körpergewicht unterschritten, gibt es mehr Geld für die Behandlung des Frühgeborenen.

Auch die Arbeitsgruppe um Thomas Mansky von der Technischen Universität Berlin bestätigt, dass Mindestmengenvorgaben oft nicht eingehalten werden. Seine Analyse der DRG-Daten von 172.823 Krankenhausfällen, für die die Mindestmengenregelung anzuwenden war, ergab,dass 16 bis 68 Prozent der  Abteilungen, die solche Eingriffe vornahmen, die Mindestmengenvorgaben nicht erfüllten.

Kommentar: Offensichtlich deckt die Studie hier einen vorsätzlichen Regelverstoß von Kliniken in einer Vielzahl von Fällen auf. Dies sorgt bei einem derart sensiblen Thema wie der Chirurgie sicherlich für Unruhe und auch Besorgnis. Rein objektiv ist aber festzustellen, dass die Studie keine Angaben zu der Frage enthält, inwieweit auch erwiesene Kunstfehler nachweislich auf mangelnde Operationeroutine und eine falsche Angabe zur Mindestmengenvorgabe zurück zu führen sind. Im Jahr 2011 noch hat das Landessozialgericht Berlin geurteilt, dass eine Mindestmengenunterschreitung nichts über die Qualität einer OP aussagt.

[ilink url=“http://www.faz.net/aktuell/wissen/studie-enthuellt-regelverstoesse-ungeuebte-chirurgen-in-deutschen-kliniken-13103912.html“] Link zur Quelle (faz)[/ilink