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Wenn Menschen Gliedmaßen fehlen, kommen Medizinprodukte-Unternehmen ins Spiel, die für Betroffene speziell angefertigte Körperteile herstellen müssen. Immer mehr dieser Firmen orientieren sich dabei an der Entwicklung von Design-Objekten, die die Individualität und die Identität des Trägers hervorheben und stärken, wie beispielsweise das schwedische, in Malmö beheimatete Unternehmen Anatomic Studios. Solche Körperersatzteile sollen aber auch Accessoire-Wirkung auf Mitmenschen haben und eine entspanntere Einstellung des Trägers zu seinem fehlenden Körperteil signalisieren. Zudem soll die gesellschaftliche Stigmatisierung der Betroffenen verhindert werden, weil Behinderungen und Beeinträchtigungen in einer Gesellschaft häufig als negativ angesehen werden. Anna Vlachaki, eine Doktorandin an der Design School der englischen Loughborough School hat in Kooperation mit Wissenschaftlern zweier Forschungsprojekte die „Prothese als Hingucker“ in verschiedenen Kulturen untersucht. Dabei zeigte sich deutlich, dass, wenn die Träger der Design-Prothesen in die Entwicklung der Ersatzteile involviert werden, das Selbstbewusstsein der Betroffenen gestärkt wird. Allerdings ist dies nicht in allen Gesellschaften auf der Welt identisch. Leben die Träger in individualistischen Gesellschaften, wie zum Beispiel in Großbritannien, dann finden solche Träger Anerkennung und Kommunikation. Die Prothese ist dann sozusagen der Eisbrecher, damit Betroffene mit Nicht-Behinderten ins Gespräch kommen. Die Stärkung des Selbstbewusstseins ist Teil eines positiven psychologischen Aspektes. In einem kollektiven gesellschaftlichen Umfeld sieht das Ganze schon ganz anders aus. Menschen mit Behinderungen sollen hier nicht unbedingt auffallen, denn sie sind ein Teil eines Ganzen, sodass sogenannte expressive Prothesen hier eher als hinderlich empfunden werden. Menschen in solchen Gesellschaften, wie beispielsweise in Griechenland, setzten vermehrt auf realistische Abbildungen von Körperteilen und nicht auf Funktionalität und Design. Expressive Prothesen ziehen Aufmerksamkeit auf sich, was aber hier nicht gewünscht ist. Allerdings empfindet der Träger und Betroffene dies ganz anders, denn die Untersuchung ergab, dass Personen mit Beeinträchtigungen auf einen eher funktionalen Ersatz einer auffälligeren Variante mit technischen Features und roboterähnlicher Struktur setzen, sodass Selbstbewusstsein und Andersartigkeit gestärkt werden, während die große Mehrheit der Bevölkerung Ersatz-Gliedmaßen am attraktivsten findet, wenn sie dem menschlichen Erscheinungsbild am ähnlichsten sind.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung