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Laut einer schwedischen Bevölkerungsstudie könnte eine Entfernung des Wurmfortsatzes, oder auch im Volksmund Blinddarm genannt, eine spätere Erkrankung an Parkinson verhindern.

Die Forschergruppe um Bryan Killinger und Viviane Labrie stellte diese Theorie im Fachmagazin Science Translation Medicine dar. Demnach soll die Operation am Wurmfortsatz das Risiko für Parkinson zumindest vermindern.

Dafür wurden Daten von über 1,6 Millionen Schweden ab dem Jahre 1964 analysiert. Das Ergebnis der Auswertung war, dass durch die Entfernung des Blinddarms bei vielen Patienten die Gefahr, an Parkinson zu erkranken, um bis zu 25 Prozent sank oder zumindest im Schnitt 3,6 Jahre hinausgezögert werden konnte.

Der für viele fragliche Zusammenhang liegt in krankheitserregenden Proteinen wie alpha-Synuclein-Peptide, die sowohl im Wurmfortsatz als auch bei Parkinson im Gehirn auftreten.

Da diese schädlichen Formen des Eiweißes im Wurmfortsatz normal liegen und nicht – wie im Gehirn – giftiger Natur sind, können sie nicht der einzige Grund für eine Erkrankung sein.

Die Hypothese der Forscher reicht so weit, dass der Wurmfortsatz trotz seiner wichtigen Funktionen im Immunsystem eine indirekte Wirkung auf die Krankheitsentstehung anders gelegener Organe haben könnte. Die dort gelagerten toxischen Stoffe können wohlmöglich bei einer Überreizung entfernt gelegene Organe schädigen.

Wie bekannt, verarbeitet der Blinddarm Lebensmittelreste länger als andere Bereiche des Darms. Laut Francisco Pan-Montojo vom Zentrum für Neuropathologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ist dies wahrscheinlich ein Grund dafür, dass der Blinddarm nicht so widerstandsfähig gegenüber Infektionen ist und somit häufiger und länger mit Umweltgiften, die über die Nahrung aufgenommen werden, in Berührung kommt als andere Darmregionen. Weiterhin sagt Pan-Montojo, dass es dadurch zu zunehmenden Entzündungsprozessen sowie oxidativem Stress kommen kann. Dementsprechend könnte der Wurmfortsatz ein größerer Indikator für die Entstehung von Parkinson sein als der restliche Magen-Darm-Trakt.

Statistisch gesehen kommt Parkinson in den ländlichen Regionen häufiger vor. Manche Forscher sind der Überzeugung, dass das mit der höheren Pestizidbelastung zusammenhängt. Eine rechtzeitige Entfernung der zusätzlichen Substanzen, bspw. der alpha-Synuclein-Proteine, könnte durch eine Appendektomie die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung senken.

Trotz dieser Erkenntnisse raten Ärzte von einer vorbeugenden Entfernung des Wurmfortsatzes ab. Das liegt zum einen daran, dass der Zusammenhang noch nicht ausreichend belegt wurde, zum anderen an den Risiken einer Operation.

Auch wenn die Zahl der Parkinson-Erkrankten mit unter einem Prozent sehr niedrig ist, muss man die Faktoren weiter entschlüsseln und erforschen, was am meisten zu Parkinson beiträgt. Sich freiwillig operieren zu lassen, um Parkinson zu entgehen, ist in diesem Fall, aus medizinischer Sicht, der falsche Ansatz.

Süddeutsche Zeitung