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Wenn es nach EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker geht, sollen die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und der Bereich der Zulassung von Medizinprodukten künftig wieder dem Industrieressort unterstellt werden. Unter Politikern und Verbänden stoßen diese Pläne auf Unverständnis. Sie appellieren an Juncker, die Umstrukturierung noch einmal zu überdenken.

Derzeit schlägt Juncker von vielen Seiten Kritik entgegen. Schon für seine Auswahl der künftigen Finanz- und Energiekommissare musste er den Vorwurf aushalten, sich nicht deutlich genug von Lobbyisten zu distanzieren. Die aktuellen Personal- und Strukturpläne Junckers werten nun  laut „Spiegel Online“ die Bereiche Forschung und Gesundheit ab und unterstellen diese zu stark wirtschaftlichen Interessen. Es bestehe die Gefahr, dass Industrie und Lobbygruppen zu großen Einfluss erlangen könnten und dadurch Grundlagenforschung und Verbraucherrechte vernachlässigt würden. Auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit im EU-Parlament kritisierten das Vorhaben einstimmig. In Deutschland äußerten CDU, die Grünen, FDP und die Linke ihre Vorbehalte.

Gleichzeitig wandten sich die großen europäischen Gesundheitsverbände gemeinsam mit dem „British Medical Journal“ in einem offenen Brief mit ihrer Kritik an Juncker. Darin wiesen sie nachdrücklich darauf hin, dass die Aufgabe der EU-Kommission, die Patientensicherheit sicherzustellen, nicht durch wirtschaftliche Interessen überlagert werden dürfe. Die Umstrukturierungsmaßnahme stelle einen gewaltigen Rückschritt dar. Erst im Jahr 2009 wurde die EMA dem Gesundheitsressort zugeordnet. Dadurch wurde unter anderem verhindert, dass Arzneimittelhersteller Werbung direkt beim Verbraucher machen können. Zuvor hatte sich der ehemals zuständige Industriekommissar Günter Verheugen klar gegen Reimporte und für mehr Pharmawerbung ausgesprochen

Kommentar: Es bleibt abzuwarten, ob die geplante Umstrukturierung tatsächlich in diesem Maße stattfindet. Vor der endgültigen Entscheidung steht zunächst eine Befragungen aller angehenden Kommissare durch die EU-Parlamentarier statt. Sollte das EU-Parlament die Pläne durchwinken, ist eine stärkere Einflussnahme von Industrie und Lobbygruppen aber durchaus denkbar. Wie das aussehen kann, zeigte eindrucksvoll bereits der Skandal um die Brustimplantate der Firma PIP. Die daraufhin geplante Verschärfung der Zulassungsbedingungen endete nach lautstarkem Protest der Lobbyisten in einem lauen Kompromiss. Anstatt die Zulassung europaweit zu zentralisieren wurden lediglich die Auflagen für die rund 80 benannten Stellen in Europa minimal erhöht. Hier stand nicht die Patientensicherheit im Mittelpunkt, sondern die Sorge der Hersteller vor höheren Kosten und Bürokratieaufwand.

[ilink url=“http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/eu-kommission-forschung-und-gesundheit-nur-nachgeordnet-a-992371.html“] Link zur Quelle: (Spiegel Online)[/ilink]