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Der in dieser Woche veröffentlichte Pflegereport 2013 der Krankenkasse Barmer GEK gibt einen Überblick über aktuellen und langfristigen Entwicklungen in der Pflege. Die Zahl der Pflegebedürftigen ist mit 2,5 Millionen so hoch wie nie zuvor. Grund für diesen Höchststand sei ausschließlich der demografische Wandel und nicht etwa eine höhere Überlebensdauer infolge des medizinischen Fortschritts. Bis 2050 sollen es sogar 4,5 Millionen Menschen sein, 80 Prozent mehr als heute.

Die ambulante Pflege gewinnt immer mehr an Bedeutung. So lautet ein Fazit des diesjährigen Barmer Pflegereports. Ambulante Pflegedienste haben 2012 fast 23 Prozent der Pflegebedürftigen versorgt. Der Anteil von Menschen, die in Heimen betreut werden, sank dagegen leicht auf knapp 28,8 Prozent. Dementsprechend sind die Personalkapazitäten in der ambulanten Pflege zwischen 1999 und 2011 mit 64 Prozent schneller gewachsen als die Zahl der Betten in Pflegeheimen, die um 36 Prozent zugenommen hat. Hier ist somit deutlich zu erkennen, dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ reale Wirkung gezeigt hat. So einer der Autoren der Studie und Pflegeforscher, Prof. Dr. Heinz Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Laut Rothgang zeigt sich insgesamt, aber vor allem im ambulanten Bereich „ein Trend hin zu professioneller Versorgung“.

Diese Erkenntnis gilt ebenso für den Grundsatz ‚Reha vor Pflege‘. Um Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder zu lindern, werden in beträchtlichem Ausmaß Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt. So erhalten 15 Prozent der über 65-jährigen Pflegebedürftigen im Jahr vor Pflegeeintritt eine medizinische Rehabilitation. Im nachfolgenden Jahr beträgt die Quote immerhin noch 7 Prozent. „Der Bedarf wird erkannt, die Kassen sind leistungsbereit“, erklärt Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK. Allerdings konnten die Autoren der Studie den Erfolg von Reha-Maßnahmen, beispielsweise eine verlängerte Lebenszeit, nicht eindeutig nachweisen. „Die Versorgungsforschung mit Routinedaten stößt hier an Grenzen. Es bleiben Fragezeichen hinter der Reha, so plausibel sie auch erscheint“, so Schlenker.

Weitere Berechnungen der Wissenschaftler zeigen auf, dass die Eigenanteile zur Pflegefinanzierung weiter steigen. So standen im Jahr 2011 Versicherungsleistungen in der stationären Pflege von 1.023 Euro in Pflegestufe I einem Eigenanteil von insgesamt 1.380 Euro gegenüber. 2009 hatte der Eigenanteil bei gleich hohen Versicherungsleistungen durchschnittlich 1.351 Euro betragen. In der Pflegestufe III fallen die gesamten Eigenanteile mit 1.802 Euro noch höher aus (2009: 1.791 Euro). Die Versicherungsleistungen waren hier allerdings von 1.470 Euro im Jahr 2009 auf 1.510 Euro im Jahr 2011 gestiegen. Im Pflegereport 2012 hatte die Barmer GEK erstmals Zahlen zu lebenslangen Pflegekosten präsentiert. Demnach müssen Frauen mit durchschnittlich 45.000 Euro privaten Kosten rechnen, Männer mit 21.000 Euro.

Grund hierfür ist die bis 2008 fehlende und seither unzureichende Dynamisierung der Leistungen. Dies führt in der stationären Pflege dazu, dass der insgesamt aufzubringende Eigenanteil die Pflegeversicherungsleistungen in allen Pflegestufen deutlich übersteigt. Dies gilt auch bei den rein pflegebedingten Kosten, die ursprünglich vollständig von der Versicherung übernommen werden sollten. Hier betragen die Eigenanteile je nach Pflegestufe zwischen monatlich 346 Euro und 760 Euro.

Und wie wird in der neuen Koalition auf die Problematik der wachsenden Anzahl an Pflegebedürftigen und den damit einhergehende steigenden Kosten reagiert? Dass die Koalitionäre von Union und SPD, anders als bei der vorangegangenen Großen Koalition, im Koalitionsvertrag nicht auferlegt haben, für einen Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Krankenkasse zu sorgen, stößt auf Kritik bei Rothgang. Nicht zu vergessen ist hierbei jedoch, dass ein solcher Ausgleich im 2005 vereinbarten Koalitionsvertrag nur enthalten war, im Nachhinein allerdings nicht realisiert wurde. In der neuen „GroKo“ wurde zwar vereinbart, die Leistungen der Pflegeversicherung weiter an die Preise anzupassen. Dafür und für weitere Verbesserungen sind aber nur zwei Milliarden Euro eingeplant. „Das reicht nicht aus“, meint Rothgang.