Was bis vor einigen Jahrzehnten meist nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wurde, ist inzwischen (endlich) kein Tabuthema mehr: Psychische Erkrankungen und die Folgen für die Betroffenen. Die DAK Gesundheit veröffentlichte kürzlich den diesjährigen Psychoreport mit den Daten aus 2014. Demnach sei im vergangenen Jahr jeder 20. Arbeitnehmer aufgrund einer psychischen Erkrankung krankgeschrieben gewesen, hochgerechnet rund 1,9 Mio. Arbeitnehmer. Damit habe sich die Zahl der Fehltage aufgrund von Depression, Burnout, Psychosen etc. mehr als verdreifacht.
Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen im Gesundheitswesen am höchsten
Im Auftrag der DAK Gesundheit wertete das IGES Institut die anonymisierten Daten von rund 2,6 Mio. erwerbstätigen Versicherten aus und kam zu dem Schluss: Die Fehltage aufgrund seelischer Leiden haben ein neues Rekordniveau erreicht, sie lagen erstmals auf dem zweiten Platz der Gründe für Krankschreibungen. Branchenübergreifend stellte die DAK je 100 Versicherten 237 Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen fest. Deutlich höher lagen die Ausfalltage im Gesundheitswesen. Dort kamen auf 100 Versicherte ganze 358 Fehltage, rund 50 Prozent mehr als der Durchschnitt. Die DAK nannte im Report zwar keine konkreten Gründe dafür, aber diese scheinen sowieso bekannt: Gerade Pflegekräfte gelten als besonders gefährdet, im Laufe ihres Berufslebens psychisch zu erkranken. Grund dafür sei unter anderem der Fachkräftemangel: Pflegekräfte müssen sich um immer mehr Kranke und Pflegebedürftige kümmern. Mit dem fortschreitenden demografischen Wandel wird sich diese Situation weiter verschärfen. Die Politik hat daher die Sicherung der Pflege sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ganz oben auf die Agenda gesetzt und in Form der Pflegereform teilweise schon durchgesetzt. Darunter fallen beispielsweise der Vorsorgefonds sowie eine Überarbeitung der Pflegestufen.
Doch auch pflegende Angehörige sind häufig überfordert, nicht selten müssen noch die eigene Familie und Beruf neben der Pflege gestemmt werden. Trotz Maßnahmen wie Pflegezeit für Angehörige warnen Experten davor, dass sich die Politik zu stark auf die Pflegeleistung von Angehörigen verlasse. Doch nicht immer sind Angehörige vorhanden, die steigende Zahl von Singlehaushalten wird langfristig dazu führen, dass die Zahl von Menschen, die auf stationäre Pflege oder Pflegedienste angewiesen sind, steigen wird. Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) fordert daher die Politik auf, zusätzliche Pflegeplätze zu schaffen.
DAK: Prävalenz psychischer Krankheiten ist nicht gestiegen
Selbst in Gebieten mit hoher Psychologen-Dichte warten Betroffene teils monatelang auf den dringend benötigten Therapieplatz. Um die Situation für die Patienten zu verbessern, erforschen Wissenschaftler und Krankenkassen neuartige Versorgungs- und Behandlungskonzepte, allen voran Online-Therapien. Eine noch nicht veröffentlichte Studie zu dem Online-Programm Deprexis zeigt beispielsweise, dass eine solche Therapie sowohl den Grad der Depression als auch die Lebensqualität verbessern kann. So könne auch die Wartezeit auf einen Therapieplatz effektiv überbrückt werden. „Die Ergebnisse des Psychoreports verdeutlichen nicht nur den bestehenden Handlungsbedarf. Sie motivieren uns auch dazu, neue Angebote zu erarbeiten, die die Versorgung konkret verbessern“, sagt Herbert Rebscher, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Mit niedrigschwelligen Behandlungskonzepten und dem Einsatz qualitätsgeprüfter E-Health-Programme passen wir das bisherige Angebot an den tatsächlichen Bedarf der Betroffenen an und verringern lange Wartezeiten und Fehldiagnosen.“
Die DAK warnt trotz der alarmierenden Zahlen davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Davon könne keine höhere Prävalenz psychischer Krankheiten abgeleitet werden. Es gebe demnach nicht mehr psychisch kranke Menschen als früher, stattdessen würden diese besser diagnostiziert und gleichzeitig weniger stigmatisiert.