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Der britische Premier David Cameron bezeichnete Demenz einst als die „Pest des 21. Jahrhunderts“. Auch wenn die Krankheit nicht so wüten wird wie der „schwarze Tod“, so werden die Auswirkungen angesichts der alternden Bevölkerung doch deutlich spürbar sein. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf die Kosten hingewiesen, die auf das Gesundheitssystem zukommen. Dies ist zwar faktisch richtig, vernachlässigt aber die soziale Komponente der Erkrankung. Noch immer zählt sie zu den Krankheiten, die die größten Ängste auslösen kann, denn weder existieren eine wirksame Vorbeugung noch eine Heilmethode. Noch dazu gilt Demenz als Stigma. Doch die soziale Ausgrenzung von Erkrankten und pflegenden Angehörigen zählen zu den größten Barrieren für die Betroffenen, wie ein Bericht der WHO eindrücklich schildert.

Kostenfaktor Pflege

Fast wöchentlich wird über einen Durchbruch in der Alzheimerforschung berichtet, von einer Prophylaxe oder gar einem Heilmittel ist die Medizin allerdings noch weit entfernt. Bis eine wirksame Behandlung gefunden ist, müssen Wege gefunden werden, die Lebensqualität von Patienten und Pflegenden zu verbessern.  Unter den altersbedingten Erkrankungen gilt Demenz als diejenige, die sowohl die Lebensqualität der Betroffenen als auch die ihres Umfelds auf lange Sicht am stärksten beeinträchtigt.

Die Kosten für Demenz liegen deutlich höher als die für Krebs und Herzerkrankungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in den „Annals of internal Medicine“ veröffentlicht wurde und auf den Daten der Health and Retirement Study, basiert, einer Stichprobe von 20.000 US-Amerikanern, die seit ihrem 50. Lebensjahr alle zwei Jahre befragt werden. Zu den Krankheitskosten zählen Krankenhausaufenthalte, Kosten für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, sowie stationäre oder ambulante Pflege. Dabei nicht berücksichtigt werden die Kosten der unbezahlten, von der Familie geleisteten Pflege. Eines ist aber sowohl für Deutschland als auch die USA gültig: Viele Demenz-Patienten werden über viele Jahre intensiv betreut, während Krebs- oder Herzpatienten in der Regel kürzere Zeiten in Kliniken und Pflegeheimen oder Rehabilitations-Einrichtungen verbringen.

Menschen mit Demenz sind auf Unterstützung im Alltag angewiesen, mit Fortschreiten der Krankheit werden sie zunehmend pflegebedürftig. Noch immer schultern Angehörige einen Großteil der Pflege, teils in Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten. Neben der körperlichen und psychischen Belastung resultieren daraus nicht selten auch hohe finanzielle Folgen. Bis vor kurzem schlossen die Pflegekassen Demenzkranke von Leistungen aus. Doch langsam erfolgt ein Umdenken: Mit der Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade soll dieser Missstand behoben werden.

Integration statt Isolation

Doch allein mit mehr Geld aus der Pflegekasse und mehr Pflegeheimplätzen wird es nicht getan sein. Die Debatte um die Kosten vergisst die menschlichen Schicksale, die hinter der Erkrankung Demenz stehen. Den Erkrankten ist deutlich mehr geholfen, wenn Alzheimer und Co. nicht länger als Stigma oder Tabuthema behandelt würden und die Patienten so lange wie möglich durch unterstützende Angebote selbständig bleiben können und in die Gesellschaft integriert, anstatt an ihren Rand gedrängt werden.

Bestimmte Symptome von Demenz, wie Verhaltensauffälligkeiten, Änderungen des Charakters oder Inkontinenz, wirken noch immer stark stigmatisierend. Das Wissen, dass die Krankheit organische Ursachen hat, kann das damit verbundene Stigma allerdings vermindern. Die Kommunikation medizinischer Forschungsergebnisse ist dabei ein erster Schritt. Wichtig wäre es allerdings weiterhin, der Krankheit ein menschliches Gesicht zu geben, um ihr den Schrecken zu nehmen. Als Beispiel sei hier Rudi Assauer genannt, der vor wenigen Jahren öffentlich erklärte, an Alzheimer erkrankt zu sein. Auch wenn er sich seither ins Private zurückgezogen hat, kann man dies ohne Zweifel als einen mutigen Schritt bezeichnen, besonders angesichts seines „Macho-Images“.

Als Gesellschaft müssen wir von der Vorstellung Abstand nehmen, dass Demenzkranke hauptsächlich ein Kostenfaktor sind und keine Lebensfreude mehr verspüren können. Denn Angesichts der Schätzungen, dass bis zum Jahr 2030 mehr als zwei Mio. Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt sein werden, ist klar: Die Krankheit wird bald, in verschiedenster Form, zum Alltag gehören.

Weitere Informationen finden Sie in unserem Report „Versorgung von Alzheimerpatienten im Sanitätsfachhandel“