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Während der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein positives Fazit der sogenannten frühen Nutzenbewertung gezogen hat, ist den Vertretern der Pharmabranche das Gesetz zur Bewertung neuer Medikamente weiterhin ein Dorn im Auge. Der GBA sieht, so verkündete man auf der Sitzung in Berlin, die Versorgung mit innovativen Medikamenten in Deutschland auf einem hohen Niveau. „Auch mit der frühen Nutzenbewertung ist und bleibt Deutsch­land einer der weltweit attraktivsten Märkte für innovative Arzneimittel“, sagte der GBA-Vorsitzende Josef Hecken.

Zum Hintergrund: Seit Anfang 2011 müssen neue Medikamente eine frühe Nutzenbewertung durchlaufen. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) soll gewährleistet werden, dass der Preis, den die Gesetzliche Krankenversicherung für ein Arzneimittel bezahlt, zukünftig ausdrücklich an seinen therapeutischen Nutzen gekoppelt ist. Neu dabei ist, dass die Hersteller selbst diesen Nutzennachweis erbringen müssen. Stellt der G-BA dabei einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie fest, verhandeln Hersteller und Krankenkassen einen Preis für das Präparat. Fällt das Medikament bei dieser Prüfung hingegen durch, wird es einer Festbetragsgruppe zugeordnet.

Nach mehr als zwei Jahren habe sich laut G-BA gezeigt, dass der Bundesausschuss einen belegten Zusatznutzen häufiger anerkannt habe als dies in anderen Ländern der Europäischen Union (EU) der Fall sei. Laut Hecken erreichen in Deutschland etwa 64 Prozent der neuen Arzneimittel eine positive Bewertung. In anderen EU-Ländern sei das Ergebnis bei nur knapp 50 Prozent der bewerteten Wirkstoffe positiv, auch wenn die verschiedenen Verfahren in den einzelnen Ländern nicht immer vollständig miteinander vergleichbar seien.

Aus Sicht von Hecken ermögliche die frühe Nutzenbewertung die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln zu fairen Preisen. Pharmaunternehmen könnten aus seiner Sicht von diesen Rahmenbedingen profitieren, indem sie sich auf die Entwicklung von Wirkstoffen konzentrieren, die einen wissenschaftlich messbaren Wert haben.

Kritiker befürchten allerdings, dass der deutsche Markt aufgrund dieser Vorschriften für Arzneimittelhersteller zunehmend unattraktiv werden könnte. Die pharmazeutische Industrie sieht dies so: „Das primär auf Kostendämpfung statt Versorgungsqualität ausgerichtete Verfahren macht es Herstellern immer schwerer, innovative Produkte auf den Markt zu bringen“, hieß es Anfang Januar in einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller, des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller und des Verbandes ProGenerika.

Neben der Diskussion um die Nutzenbewertung neuer Medikamente schlug in dieser Woche eine weitere Meldung hohe Wellen: Der Schweizer Pharmakonzern Novartis erwirkte einen Stopp des Verfahrens zur Bewertung bereits sich auf dem Markt befindender Medikamente. Bei dem Verfahren geht es um darum, inwieweit bereits eingeführte Medikamente mit Patentschutz wirklich besser sind als schon ältere, günstigere Mittel. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gab dem Eilantrag des Pharmakonzerns Novartis statt. Die Krankenkassen, die in 2011 insgesamt 31 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgaben, sehen Einsparungen in Milliarden-Höhe gefährdet.