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Kaum ein Aspekt der Gesundheitspolitik ist so umstritten wie die Unterteilung in gesetzliche Kassen (GKV) und private Versicherungen (PKV). Das Verhältnis zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung scheint zuletzt auch aufgrund verschiedener Aussagen von Vertretern beider Systeme zur mangelnden Zukunftsfähigkeit angespannt. In diesem Zusammenhang wird den gesetzlichen Kassen in der Diskussion nachgesagt, trotz stetig steigender Beiträge schlechtere Leistungen zu bieten als die private Konkurrenz. Demgegenüber wird der PKV ein Schwund der Versichertenzahlen aufgrund steigender Kosten und Versicherungsprämien vorgehalten.

Norbert Klusen, Vorsitzender der Techniker Krankenkasse, forderte jüngst sogar das Ende des Zwei-Klassen-Systems. Seine Reformüberlegungen gingen dahin, einen einheitlichen Versicherungsmarkt mit mehr Wettbewerb zu schaffen. Dazu müsse man die gesetzlichen Kassen von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Aktiengesellschaften umwandeln und diese dann in die Konkurrenz zu den Privaten treten lassen.

Besonders haben sich die Streitigkeiten beim Thema der Versichertenzahlen entladen. Zu Beginn dieses Jahres wurde von einem Abwanderungstrend der PKV zu Gunsten der GKV berichtet: Die Techniker Krankenkasse sowie die Barmer GEK konnten im Jahre 2011 viele Neuzugänge aus der PKV verzeichnen. Der Überschuss lag demnach bei der Barmer GEK bei 27.600 Neukunden. Die Techniker Krankenkasse konnte sogar einen Zuwachs von 41.000 Mitgliedern aus der PKV verzeichnen. Der Vorstandschef der AOK, Jürgen Graalmann, sah bereits das Ende der privaten Vollversicherung in naher Zukunft verwirklicht.

Dieser Darstellung widersprach der Verbandsdirektor der privaten Krankenversicherer,Volker Leienbach, und betonte, dass der Netto-Neuzugang in der privaten Vollversicherung  bei 80.800 Personen im letzten Jahr gelegen habe. Aus seiner Sicht steige der Marktanteil der PKV, die derzeit 11,3 Prozent der Deutschen umfasst und damit inzwischen insgesamt fast 9 Mio. Menschen, weiter, da die Branche deutlich mehr Zugänge als Abgänge verbuche.

Ungeachtet der Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Versichertenzahlen boomt das Geschäft mit den Zusatzversicherungen. Diese profitieren vor allem im Pflegebereich vom hohen Wachstum. PKV-Unternehmen berichten hier von einen Zuwachs der abgeschlossen Verträge von 541.500 in 2011. Zum Ende des letzten Jahres gab es somit insgesamt 22,51 Millionen Zusatzversicherungen.

An diesen Punkt knüpfen auch die Überlegungen von Klusen an: Seine Reform würde vor allem den gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit geben, eigene Zusatzleistungen anzubieten oder direkt bei Ärzten, Krankenhäusern und Pharmakonzernen einzukaufen. Eine kürzlich geschlossene Kooperation zur Privaten Zusatzversicherung zwischen der AOK Rheinland und der Düsseldorfer Versicherung (jetzt Vigo Krankenversicherung,  “Vigo” bezeichnet die AOK-eigenen Wahltarife) ist jedenfalls ein Beispiel dafür, wie eine gesetzliche und private Kasse im Bereich der privaten Zusatzversicherung näher zusammengerückt sind.