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Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich im Rahmen der Beschlussfassung zur Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie mit der Frage auseinandersetzt, ob bei Folgeverordnungen von Hörhilfen ein Arzt konsultiert werden muss. Die erstmalige Verordnung von Hörhilfen setzt nach wie vor die vorherige Konsultation durch einen Arzt voraus – es gilt der sog. Arztvorbehalt.

In Hinblick auf eine Folgeverordnung muss jedenfalls in bestimmten Fällen ein Facharzt zu Rate gezogen werden, damit eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung gewährleistet ist. Dies sei auch im Interesse der Patienten und Patientinnen so geregelt, betont Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA in einem Bericht des hcm-Magazins.

Zu denken ist insoweit zum Beispiel an die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, an eine Indikation bei neu aufgetretenem Tinnitus sowie bei einer deutlichen Verschlechterung der Hörfähigkeit, die dem  WHO-Grad IV entspricht. Dagegen hält das beschlussfassende Gremium eine Folgeversorgung durch Hörgeräteakustiker in allen anderen, nicht ausdrücklich genannten Fällen für ausreichend. Ein Ausschlusskriterium besteht indes diesbezüglich nicht. Die Patienten können in diesen Fällen selbstverständlich selbst entscheiden, ob sie einen Facharzt aufsuchen möchten oder nicht.

Die Beratungen des G-BA sind vor allem deshalb interessant, weil sie die Frage aufwerfen, inwieweit Parallelen zu anderen Hilfsmitteln gezogen werden können. Hier sei vor allem an den Inkontinenzbedarf, an die Stomaversorgung, an Sehhilfen und an die Artikel zur Wundversorgung zu denken. Für die jeweiligen Leistungserbringer würden unter Umständen neue Marktpotenziale ausgeschöpft werden können, wenn Sanitäts- und Orthopädiehäuser sowie Optiker nach eigenem Ermessen Hilfsmittel durch eine Folgeverordnung bewilligen könnten.

Aus medizinischer Sicht stellt sich aber die Frage, in welchem Maße möglicherweise ärztliche Kompetenzen untergraben werden und medizinische Indikationen für die Verordnung von Hilfsmitteln möglicherweise verkannt oder ausgeweitet werden. Aus Sicht der Ärzte ist diese Vorstellung sicherlich ernüchternd. Nicht nur vor dem Hintergrund, dass Patienten ausbleiben werden, sondern auch angesichts dessen, dass an sich die umfassende medizinische Betreuung und Abklärung der Notwendigkeit von Folgeverordnungen dem Wohle des Patienten dienen soll. Wie korrespondieren Folgeverordnungen durch nichtärztliche Leistungserbringer mit den Zielvorstellungen der Kassen aus kostentechnischer Sicht? Ähnlich wie in den Fällen der Delegation ärztlicher Leistungen auf Pflegepersonal stellt sich die Frage, ob bei hilfsmittelbezogenen Folgeverordnungen durch Nichtärzte nicht besondere, über die bisherigen berufsbezogenen Standards hinausgehende Qualifikationen erforderlich sind.

Gleichwohl ist anzumerken, dass unlängst auch für die Physio- und Ergotherapie der Direktzugang diskutiert wurde. Dies mit dem Argument, dass der jeweilige Therapeut häufig selbst am besten über die jeweilige Maßnahme entscheiden kann. Beispielsweise konnten die Krankenkassen in den Niederlanden durch den Direktzugang deutliche Einsparungen verzeichnen.

Angesichts der angespannten Finanzlage im Gesundheitssystem sind die Konsequenzen einer, überspitzt formuliert, liberalisierten Kompetenz zur Bewilligung von Folgeverordnungen aus unserer Sicht kritisch zu überdenken. Ein weiteres Risiko könnte zudem hinsichtlich der Unabhängigkeit zwischen Verordnendem und Produkthersteller bestehen. So bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das Bundesgesundheitsministerium entscheiden wird.