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Seit Jahren verhandeln die Europäische Union, USA und Kanada zwei geplante bilaterale Freihandelsabkommen. Diese Verhandlungen fanden zunächst im Geheimen statt, durch mehrere Leak-Veröffentlichungen erfuhr jedoch auch die breite Öffentlichkeit die Inhalte von TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Während die beteiligten Verhandlungspartner nicht müde werden zu betonen, lediglich bürokratische Hürden innerhalb der Handelsbeziehungen abbauen und somit das Wirtschaftswachstum fördern zu wollen, sind die Verhandlungen unter Kritikern höchst umstritten. Diese befürchten, dass durch die geplanten Deregulierungen die Staaten entmachtet werden könnten, was aller Wahrscheinlichkeit zufolge nicht ohne negative Auswirkungen auf Bürger und Verbraucher bliebe. Diese Kritik ist beim aktuellen Wissenstand über TTIP und CETA nicht unbegründet, und auch die Vorgehensweise, im Geheimen zu verhandeln, ist mindestens fragwürdig. Allerdings könnte der Abbau von Handelshemmnissen durchaus positive Auswirkungen haben, von denen auch das deutsche Gesundheitswesen profitieren könnte.

Gerade im Bereich Medizintechnik ist der Export für Deutschland ein Wachstumsmotor. Laut einer aktuellen Untersuchung des Industrieverbands Spectaris liegt die Exportquote für deutsche Medizintechnik bei rund 68 Prozent. Im vergangenen Jahr wuchs das internationale Geschäft um 1,8 Prozent. Hersteller befürchten jedoch, diese Quoten in den kommenden Jahren aufgrund regulatorischer und bürokratischer Hürden nicht mehr erreichen zu können. Nicht wenige begrüßen daher die Verhandlungen zu TTIP und CETA und erhoffen sich davon finanzielles Wachstum. Auch der GKV-Spitzenverband sieht sowohl bei CETA als auch bei TTIP nicht nur Risiken, sondern durchaus auch Chancen. Beispielsweise seien derzeit noch der Marktzugang und die Überwachung von Herzschrittmachern, Stents und anderen Implantaten in den USA transparenter geregelt, so die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer. Dort würden demnach die zuständigen Stellen wie beispielsweise die Food and Drug Administration (FDA) wichtige Daten zu Sicherheit, Wirksamkeit und Einschränkungen der Produkte zu möglichen Gefahren veröffentlichen. Ein ähnliches Vorgehen in der EU sei wünschenswert und würde durch die Freihandelsabkommen erleichtert werden. Positiv diskutiert wurde darüber hinaus die Etablierung eines weltweit einheitlichen Identifizierungssystem für derartige Medizinprodukte. Bei Problemen könnten betroffene Produktchargen schneller identifiziert, bis zum Patienten zurückverfolgt und zeitnah zurückgerufen werden. Durch den Wegfall von Einfuhrzöllen könnten weiterhin enorme Kosten in den Gesundheitssystemen eingespart werden, eine Angleichung von Normen darüber hinaus den Handel wesentlich vereinfachen.

Der Verband mahnte aber im Zuge der fortgeschrittenen Verhandlungen an, dass stets die Sicherheit der Patienten in den Fokus zu rücken sei. Gute Rahmenbedingungen für Innovation und Qualität, Versorgungssicherheit bei Medizinprodukten und Arzneimitteln sowie deren nachhaltige Finanzierbarkeit müssten stets auch in Zukunft gewährleistet sein. Daher sollten eine transatlantische Kooperation im Arzneimittelbereich unbedingt Fragen des Marktzugangs und der Erstattungsfähigkeit ausklammern, da diese in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten fielen. So soll das deutsche Gesundheitssystem auch in Zukunft in der Lage sein, über die Erstattungsfähigkeit zu entscheiden, Instrumente der Kostenkontrolle wie beispielsweise Rabattverträge anzuwenden und den Nutzen neuer Präparate zu bewerten. Darüber hinaus solle eine zu starke Ausweitung des Patentschutzes vermieden werden, da längere Patentlaufzeiten den Markteintritt von Generika verzögern würden. Die Folge wäre wiederum eine stärkere finanzielle Belastung der Beitragszahler.

Beim derzeitigen öffentlichen Widerstand gegen TTIP und CETA ist fraglich, wie die beteiligten Verhandlungspartner entscheiden werden. Sollten die Abkommen durchgewunken werden bleibt abzuwarten, wie sich die Änderungen auf den Handel und die Patientensicherheit auswirken. Zum aktuellen Zeitpunkt wäre eine Aussage dazu noch reine Spekulation.