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Seit Jahren strebt die Ärzteschaft eine Reform der schon 30 Jahre alten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) an. Die Bundesärztekammer (BÄK), der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und die Beihilfe haben bereits einen Entwurf ausgearbeitet, der die medizinischen Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung neu regeln soll. Dieser wurde nun auf einem Sonderärztetag diskutiert und bekam grünes Licht von den Delegierten – die Kritiker sind jedoch weiterhin nicht überzeugt. Der Deutsche Hausärzteverband (DHV) und die Allianz Deutscher Ärzteverbände (ADÄ) halten das Ergebnis für nicht akzeptabel.

Mehr Transparenz, Abrechnungssicherheit und Verständlichkeit, mit diesen Worten umschrieben die GOÄ-Beauftragten der BÄK, Dr. Bernhard Rochell und Dr. Birgit König, bei einem Vortrag in Frankfurt die Novelle. Transparenz scheint aber das zu sein, was vielen Beteiligten fehlt. Der Informationsfluss sei mangelhaft gewesen. Eine Auflage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), so begründete es BÄK-Verhandlungsführer Theodor Windthorst.

Angemessene Vergütung?

Für Diskussionen sorgte vor allem die Frage nach der Höhe der Änderungen. „Wir werden ein Plus einfordern“, so Windthorst auf einer Informationsveranstaltung im November 2015. Geplant ist eine Abrechnung zum einfachen Satz, der den jetzigen mindestens 2,3-fach übersteigt. Eine Verdoppelung ist möglich, wenn sich die Behandlung auf einer Positivliste befindet. Zuschläge für Psychiatrie und Pädiatrie seien zugelassen. Die Krux: Bisher ist es dem Arzt möglich, entsprechend dem Zeitaufwand, dem Schwierigkeitsgrad und den Umständen der Behandlung, den Einfachsatz mit 3,5 zu multiplizieren. Die Kostenübernahme durch PKV oder Beihilfe ist bis zum 2,3-fachen Satz auf jeden Fall gewährleistet.

Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik des Herzogin Elisabeth Hospitals in Braunschweig und Vizepräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), war maßgeblich an der Neufassung des orthopädischen Teils der GOÄ beteiligt. Als Beteiligter habe man nur einen Einblick in gewisse Themen, meinte er im November 2015 im Interview. Alle seien zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Man hat dementsprechend keinen kompletten Überblick und das halte ich für extrem problematisch, da es so zu keinem Abgleich zwischen den einzelnen Kapiteln kommen kann“, kritisierte der Mediziner. Außerdem bemängelte er, dass die überarbeitete GOÄ sich eher an den Kostenträgern, also der PKV und den Beihilfestellen, orientieren würde. „Dies ist absolut nicht die übliche Vorgehensweise. Denn so werden wir nicht etwa 30 Prozent mehr erhalten, wie man es allein schon im Rahmen der Inflationsbereinigung erwarten dürfte, sondern wahrscheinlich deutlich weniger und das, obwohl es seit mehr als 30 Jahren trotz diverser Anträge keine Anpassung der GOÄ gegeben hat.“ Auch soll die Festlegung der Gebührenpositionen nicht mehr nach Zielleistung sondern nach Zeitleistung erfolgen, so Heller.

Positives Feedback in außerordentlicher Sitzung

„Der Deutsche Ärztetag hat der Bundesärztekammer auf beeindruckende Weise den Rücken gestärkt“, meinte BÄK-Präsident Prof. Dr. Ulrich Frank Montgomery zum Ausgang des außerordentlichen Treffens am 23. Januar 2016. Anträge der Landesärztekammern aus Baden-Württemberg, Brandenburg und Berlin hatten zur Einberufung der Sitzung geführt, die die BÄK eigentlich für unnötig hielt. Nun ist mit großer Mehrheit der Antrag von den Delegierten angenommen worden. Des Weiteren forderten diese, die überarbeitete GOÄ zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Kraft zu setzen. „Die Ärzteschaft erwartet jetzt, dass die Politik ihre derzeitigen Zusagen einhält. Die dringend notwendige Novelle darf nicht dem beginnenden Bundestagswahlkampf geopfert werden“, hieß es.

Bestimmte Voraussetzungen muss die neue GOÄ allerdings erfüllen, bevor sie gegenüber dem BMG freigegeben werden darf: Das Verzeichnis soll dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, außerdem sollen auch weiterhin abweichende Honorarvereinbarungen möglich sein. Gehalts- und Kostenentwicklungen müssen inklusive des Inflationsausgleichs in der Novelle berücksichtigt werden. Die Reform müsse gleichzeitig den Patienten vor zu hohen Kosten schützen, dem Mediziner aber eine angemessene Vergütung gewährleisten. Nicht abgebildete, innovative Leistungen sollen analog zu anderen gleichwertigen vorhandenen Gebührenpositionen abgerechnet werden. Außerdem soll die neue Ordnung in einer 36 Monate andauernden Monitoringphase geprüft und etwaige Probleme behoben werden.

Einführung Anfang Oktober?

Zieltag für die Einführung der GOÄ ist der erste Oktober 2016. Neben den zu erfüllenden Voraussetzungen wird es voraussichtlich keinen Raum für weitere Änderungen geben. Natürlich handelt es sich um einen Kompromiss, meinte unter anderem Windthorst. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, meinte zur Kritik, dass es „ausgesprochen ärgerlich“ sei, dass einzelne Verbände wie der DHV oder die ADÄ unmittelbar nach der Entschlussfassung den Eindruck erwecken, dieser sei über die Köpfe der niedergelassenen Ärzte gefällt worden. „Man sollte nicht die Legitimität des Ärztetages in Frage stellen, wenn man selbst eine schwächere Legitimation hat.“