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Gesetzliche Krankenkassen sind zur Veröffentlichung der Vorstandsbezüge verpflichtet. Nun war es wieder so weit: Das Onlineportal „Krankenkassen direkt“ berichtet am 3. März, dass jeder sechste Krankenkassenchef mehr als 200.000 Euro verdiente. In der Spitze reichten die fest vereinbarten Vergütungen sogar bis über 300.000 Euro. Trotz Veröffentlichungspflicht kann man nicht unbedingt von Transparenz sprechen. Von den 117 Krankenkassen sind bislang nur 99 der Meldepflicht nachgekommen.

Vergütungen sind nicht unbedingt von Markterfolg einer Kasse abhängig

Da die Bezüge der Vorstände letztendlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werden, haben die Versicherten ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wo das Geld landet. Daher sind Kassen seit 2004 verpflichtet, Angaben zur Höhe der Gehälter zu machen, seit 2013 gilt zusätzlich ein Genehmigungsvorbehalt der Aufsichtsbehörden. Doch die Kriterien, die zu einer Genehmigung von Vorstandsgehältern herangezogen werden, kann man durchaus als nicht ganz ausgegoren bezeichnen: Ausschlaggebend ist das Verhältnis der Gesamtbezüge zur Kassengröße und -bedeutung, nicht etwa der tatsächliche Erfolg einer Kasse. So kann es durchaus sein, dass eine Kasse mit schwächelnden Finanzen, hohem Zusatzbeitragssatz und sinkenden Mitgliederzahlen dem Vorstand deutlich höhere Bezüge zahlt als erfolgreiche, wachsende Kassen mit niedrigen Zusatzbeiträgen. Ausschlaggebend ist allein, ob die absolute Zahl der Mitglieder höher ist. Dann wundert es auch nicht, dass unter den Topverdienern Vorstände von Kassen mit Beiträgen von mindestens 16 Prozent zu finden sind.

Doch auch außerhalb der Kassen legten die Gehälter zu: Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, erhielt 2015 rund 336.000 Euro und damit gut 5.000 Euro mehr als im Vorjahr. Wie erwartet führt er damit das Gehaltsranking erneut an. Bei den Landes-KVen bleibt Bayern auf dem ersten Platz. Auch die Gehälter der drei Vorstandsmitglieder der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, Dr. Jürgen Fedderwitz und Dr. Günther E. Buchholz können sich sehen lassen: Im vergangenen Jahr erhielten sie je rund 313.000 Euro.

Skandale bleiben nicht aus

Die drei Vorstandsmitglieder der KV Berlin indes standen im vergangenen Jahr im Mittelpunkt eines Skandals: Sie hatten sich 2011 mit Genehmigung der Vertreterversammlung Übergangsgelder in Höhe von rund einer halben Mio. Euro auszahlen lassen, wurden im gleichen Jahr allerdings wiedergewählt. Dennoch behielten sie das Geld. Erst auf politischen Druck hin zahlten sie es zurück. Der Vorfall wirkte sich indes kaum negativ auf ihre Karriere in der KV aus: Bei einer Vertreterversammlung im Februar 2015 stimmten nicht genügend Mitglieder gegen eine Abwahl des Vorstandes, somit dürfen die Mediziner ihre Position bis zur nächsten Wahl Anfang 2017 weiter bekleiden.

2015 mussten sich zudem erstmals Vorstände einer gesetzlichen Krankenkasse persönlich für Verschwendung verantworten. Die Chefs der Novitas BKK, Ernst Butz und Reiner Geisler wurden vom Bundesversicherungsamt (BVA) dazu verpflichtet, insgesamt 70.000 Euro an die Kasse zu erstatten. Der Betrag resultiert aus zwei Betriebsfeiern, bei deren Ausrichtung die Vorstände nach Ansicht der zuständigen Aufsichtsbehörde zu tief in die Taschen der Kasse gegriffen hatten. Das BVA sprach zusätzlich eine Verwarnung mit dem Hinweis aus, dass die Kasse als öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungsträger das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten müsse.

Bereits 2014 schlug das BVA einen harten Sparkurs ein. Darunter fallen nicht nur Gehaltskürzungen, sondern auch Prämien, die Altersvorsorge und Dienstwagen, die bei der Vergütung von Kassenchefs stärker berücksichtigt werden sollen. Auch Bestandsgarantien, die langjährige Kassenchefs für ihre nächste Vertragsverlängerungen ausgehandelt haben, sollen nach Ansicht des BVA unwirksam sein. Die Reaktionen auf die Sparpläne für die Chefetagen fielen erwartungsgemäß durchwachsen aus. Während der Vorstand der Bosch BKK einer geforderten Gehaltskürzung zustimmte, sprach sich der Verwaltungsratsvorsitzende der Barmer GEK, Holger Langkutsch, gegen die Kontrolle aus. Seine Begründung: Kassen sollen einerseits durch unternehmerisches Handeln eine effiziente und bezahlbare Versorgung sicherstellen, andererseits werden ihnen Entscheidungskompetenzen, wie im konkreten Fall die Beitragssatzautonomie und die Gestaltung der Gehälter, entzogen.

Seit Jahren steigen die Gehälter der Kassenchefs, ebenso lange reißt die Kritik an dieser Tatsache nicht ab. Aus marktwirtschaftlicher Perspektive ist daran prinzipiell nichts auszusetzen, angesichts steigender Ausgaben und Beitragssätze hat das allerdings schon ein Geschmäckle. Allerdings ist damit zu rechnen, dass freiwilliger Gehaltsverzicht wie im Beispiel der Bosch BKK auf absehbare Zeit eher Ausnahme als Regel bleiben wird.