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Der Gesetzesentwurf zur generalistischen Pflegeausbildung wurde vom Bundeskabinett bereits abgenickt. Durch die Zusammenführung der Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sollen die Berufe den veränderten Anforderungen an die Pflege angepasst werden und die Begeisterung für das Berufsbild soll wieder steigen. Ob sich diese Vorhaben mit der geplanten Reform umsetzen lassen, wird jedoch noch immer diskutiert. Die einen sind absolut überzeugt, die anderen sehen zu viele Probleme.

„Wir bringen das Pflegeberufsgesetz in der Überzeugung auf den Weg, dass es den Pflegeberuf attraktiver macht“, das meinte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum neuen Entwurf. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach von einer Aufwertung des Altenpflegeberufs. Die Ärzteverbände, die Länder, die Arbeitgeber in der Altenpflege, die großen Gewerkschaftsverbände, die Oppositionsparteien und auch einige Pflegepolitiker der Unionsfraktion stehen jedoch nicht hinter den geplanten Veränderungen.

Pflegefachfrau und -fachmann werden sich die zukünftigen Auszubildenden nach erfolgreich absolviertem Abschluss nennen dürfen. Die generalistische Ausbildung qualifiziert sie für jeden der bisher drei Pflegezweige und soll durch den Zusammenschluss für fächerübergreifende Kompetenzen sorgen. Das Schulgeld, das bisher in einigen Bundesländern für die Qualifizierung zur Arbeit in der Altenpflege gezahlt werden musste, fällt komplett weg – alle Auszubildenden sollen eine angemessene Vergütung erhalten. Auch die Voraussetzungen für ein berufsqualifizierendes Pflegestudium wird durch den Entwurf geschaffen.

Das neue Gesetz ist nicht durchdacht

„Der vorliegende Gesetzesentwurf wirft im Moment noch mehr Fragen auf, als dass er Probleme zuverlässig lösen würde“, meint Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, zur Reform. „Wenn der Bundesregierung an Qualität und Attraktivität der Pflegeberufe gelegen ist, muss sie Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten lassen und hier dringend noch einmal nacharbeiten.“ Die Finanzierung beispielsweise bleibe fraglich. Bisher kostet die Pflegeausbildung 2,4 Milliarden Euro, zukünftig werden es mehr als 2,7 Milliarden Euro sein. Ein weiteres maßgebliches Problem sind die bisher nicht konkretisierten tatsächlichen Ausbildungsinhalte. „Unabhängig von der Frage, wie weit sich die Pflege eines Frühgeborenen mit der eines alten Menschen vergleichen lässt, ist von noch größerer Bedeutung die Frage, wo die Ausbildungseinsatzstellen für die vielen Pflegerinnen und Pfleger im Bereich der Säuglings- und Kinderpflege herkommen sollen.“ Bisher werden jährlich rund 2.500 Pflichteinsätze in der Kinderkrankenpflege absolviert werden, zukünftig wären es 40.000.

Der Protest von Seiten der Kinderärzte und Kinderkliniken ist umfassend. Das Landshuter Kinderkrankenhaus St. Marien hat bereits zur Gegenaktion aufgerufen und es wurde auch eine Petition ins Leben gerufen. Die Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GkinD) nennt Gründe für die Ablehnung der Reform: „Eine Generalisierung der Pflege zu einer Einheitspflege ignoriert die besondere und verletzliche Situation des kranken Kindes. Schwer kranke und chronisch kranke Kinder werden die Verlierer einer Reform sein, die in erster Linie den Personalmangel in der Altenpflege bewältigen soll.“ Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste befürchtet aber insbesondere für die Altenpflege steigende Probleme durch die geplante Reform. „Wir kämpfen um jede Pflegekraft. Die generalisierte Ausbildung wird den Engpass noch verschärfen.“

Was passiert nun? Die generalistische Pflegeausbildung „ist ein Meilenstein für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe in Deutschland“, meint hingegen Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats. In der Altenpflege werde zunehmend medizinisches Fachwissen benötigt, in den Krankenhäusern seien Alterskrankheiten an der Tagesordnung. „Das macht veränderte Kompetenzprofile erforderlich, die ausgebildet werden müssen.“ Auch Caritas-Präsident Peter Neher steht hinter dem Entwurf: „Die Möglichkeit zum flexiblen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern wird auch die Attraktivität des Pflegeberufs erhöhen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Das Pflegeberufsgesetz sichert zudem die Anerkennung des Berufsabschlusses in allen EU-Mitgliedstaaten.“ Ebenso deutlich für das geplante Gesetz positioniert sich der deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).

Es hat bereits Modellversuche gegeben, die gezeigt haben, dass die Ausbildung die erhofften Kompetenzen vermitteln kann. Zudem ist die generalisierte Ausbildung schon seit der Amtszeit von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) im Gespräch. Außerhalb Deutschlands ist eine generalistische Pflegeausbildung bereits allgemein üblich.

Der Kabinettsentwurf beinhaltet lange Übergangsfristen. Starten soll die neue Ausbildung 2018, die bisherigen sollen noch bis Ende 2023 weiterlaufen. Damit werden beide Systeme nebeneinander stehen und das neue erfährt eine Art Probezeit. Wie und ob sich das auf die Ausgestaltung auswirkt, muss sich zeigen. Vielleicht lässt sich ja ein Kompromiss finden, wie ihn beispielsweise die Grünen vorgeschlagen haben: Zunächst lernen alle Auszubildenden anderthalb bis zwei Jahre gemeinsam, dann können sie sich spezialisieren.