Seite wählen

Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aus formalen Gründen als unzulässig abgewiesen. Die Richter lassen in ihrer Argumentation aber eine Hintertür für weiter Prüfungen der Institution offen.

Die Beschwerdeführerin hatte im Vorfeld aufgrund einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem bestimmten Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit beantragt. Die Kasse lehnte die Versorgung mit der Begründung ab, das Medizinprodukt sei nicht vom G-BA in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Versagung der Therapiekosten sowie die Regelungsbefugnisse des G-BA im Allgemeinen.

G-BA entscheidet, was die GKV erstattet

Die Beschwerde wurde aus formalen Gründen abgewiesen. Sie entspräche demnach nicht den Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde, sondern gäbe nur allgemeine Zweifel an der generellen Legitimation des G-BA wider, so das Gericht. Derartige Zweifel wurden seit Einrichtung des Ausschusses häufig geäußert. Der Hauptvorwurf: Die Entscheidungen des G-BA gründen weniger auf objektiven Leitlinien, sondern seien vielmehr von den Mitgliedern interessengesteuert.

Der G-BA) ist das oberste Beschluss­g­re­mium der gemein­samen Selbst­ver­wal­tung der Ärzte, Zahn­ärzte, Psycho­the­ra­peuten, Kran­ken­häuser und Kran­ken­kassen in Deut­sch­land. Er setzt sich aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, von denen fünf die Interessen der GKV vertreten. Weitere fünf Mitglieder repräsentieren Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser. Drei unparteiische Mitglieder, von denen einer den Vorsitz innehat, komplettieren das Gremium. Zusätzlich haben auch fünf Patientenvertreter Zugang, diese sind allerdings nicht stimmberechtigt.

Die 13 stimmberechtigten Gremiumsmitglieder entscheiden weitestgehend, was die GKV erstattet. Sie verfügen damit über einen Gesamtetat von fast 200 Mrd. Euro. Die Ausgewogenheit der Interessen der Gremiumsmitglieder wurde in der Vergangenheit schon häufiger in Frage gestellt. Die Vertreter der Kassen verfolgen, so der Vorwurf, das Ziel, die Ausgaben der Kassen so weit wie möglich zu begrenzen, indem sie den Leistungskatalog der GKV bewusst so klein wie möglich halten, zu Lasten der Versicherten.

Wer kontrolliert die Kontrollinstanz?

Der G-BA wird oft als „kleiner Gesetzgeber“ bezeichnet. Er legt beispielsweise fest, wie viele Operationen in einem Krankenhaus pro Jahr durchgeführt werden müssen, damit es sich als Fachklinik bezeichnen darf. Auch, wie viele Ärzte einer Fachgruppe sich in einer Region niederlassen dürfen, welches Arzneimittel einen Zusatznutzen gegenüber dem Standardpräparat hat und noch viel mehr. Hilfsmittel müssen erst dann von der GKV erstattet werden, wenn der G-BA sie positiv geprüft hat. Hersteller haben weder einen generellen Anspruch darauf, dass ihr Produkt in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden, noch die Patienten, mit einem Hilfsmittel versorgt zu werden, dass nicht im Verzeichnis gelistet ist.

Der Sozialrechtler Prof. Dr. Peter Axer von der Universität Heidelberg stellte die provokante These in den Raum, dass vielen der G-BA als „Zentralkomitee des Gesundheitswesens“ gelte. Er stellte aber gleichzeitig fest, dass die Normsetzungsbefugnisse des G-BA, zumindest nach Ansicht des Bundessozialgerichts, mit demokratischen Prinzipien vergleichbar seien.

Als höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen solidarischen Gesundheitssystem entscheidet der G-BA über den Leistungsanspruch von rund 70 Mio. gesetzlich krankenversicherten Menschen in Deutschland. Die Beschlüsse des G-BA stehen als Richtlinien zwar in der Rangfolge unterhalb von Gesetzen, sind aber dennoch rechtlich bindend. Die Entscheidungen des G-BA werden durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) überprüft, diese Prüfung beschränkt sich jedoch auf das korrekte Zustandekommen der Beschlüsse. Eine fachlich- inhaltliche Überprüfung ist laut Gesetz nicht vorgesehen. Dies war bisher immer wieder Anlass für Kritik und gerichtliche Auseinandersetzungen. Kritiker werfen dem G-BA vor, er sei lediglich ein Instrument von Krankenkassen und Gesetzgeber, das Rationierungen zu Lasten von Patienten durchsetzen soll. Das Hintertürchen der Argumentation des Gerichts spricht in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache und lässt erahnen, dass diese Diskussion noch nicht zu Ende geführt ist.