Seite wählen

Rund 1,8 Mio. Euro Beiträge von Beschäftigten und Arbeitgebern kamen im vergangenen Jahr gar nicht erst im Gesundheitsfonds an, das meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am 23. Februar. Der Grund: Der Gesundheitsfonds musste im vergangenen Jahr erstmals Strafzinsen zahlen. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt damit nun auch im Gesundheitssystem an.

Wohin nur mit dem Geld? Diese Frage dürfen sich derzeit Anleger stellen, die überschüssige Liquidität nur für kurze Zeit „zwischenparken“ müssen. Dazu zählt auch der Gesundheitsfonds. Bevor dieser die Mittel aus Beiträgen und staatlichen Zuschüssen an die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verteilt, muss er die Gelder für kurze Zeit anlegen. Doch Banken sind aufgrund der niedrigen Zinsen am Finanzmarkt derzeit nicht daran interessiert, große Summen für kurze Zeit anzunehmen – es lohnt sich für sie einfach nicht. Daher verlangen sie nicht selten Strafzinsen für derartige Szenarien.

Gesundheitsfonds braucht neue Anlagestrategien

Eigentlich müssten Banken sich freuen, wenn Sparer oder Institutionen bei Ihnen große Geldsummen anlegen, so könnte man meinen. Dies trifft inzwischen allerdings nicht mehr zu. Die EZB hat einen historisch niedrigen Leitzins festgelegt, dadurch sind die derzeitigen Zinsen für Spareinlagen niedriger als die Inflationsrate.

Die Motivation der EZB ist indes nachvollziehbar: Das Geld soll in die Realwirtschaft fließen. Daher betreibt sie eine Politik des „billigen Geldes“ und verleiht Geld zu einem sehr niedrigen Zinssatz (Der Leitzins beträgt derzeit 0,05 Prozent). Doch wenn der Zinssatz niedriger ist als die Inflationsrate, haben Sparer nicht mehr auf dem Konto, sondern weniger. Die „sicheren“ Sparformen Tagesgeld und Sparbuch sind damit nicht mehr als eine Illusion. Leider betrifft das neben dem Gesundheitsfonds auch Renten- und Pflegeversicherung. Auch Banken machen beim aktuellen Leitzins beim Verleihen von Geld ein Minusgeschäft und „maßregeln“ Anleger daher mit Strafzinsen. Diese liegen derzeit bei 0,3 Prozent, Experten rechnen mit einem Anstieg auf 0,4 Prozent Anfang März.

Die Summe, die dem Gesundheitsfonds dann verloren ginge, wäre also noch weit höher als im vergangenen Jahr. Das Bundesversicherungsamt (BVA) plant daher, alternative Anlagevarianten zu untersuchen. Präsident Frank Plate: „Die ordnungsgemäße Anlage des Vermögens gerade auch in Zeiten einer Niedrigverzinsung bzw. sogar von Negativzinsen werden wir weiterhin schwerpunktmäßig überprüfen.“

 Wie lange bleibt es noch beim Umlageverfahren?

In der Vergangenheit wurde häufig, aufgrund des demografischen Wandels, eine Abkehr von der umlagefinanzierten Krankenversicherung in den Raum gestellt. Dieses Thema könnte angesichts der Strafzinsen auch wieder relevant werden.

Seit Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung werden die innerhalb einer Periode anfallenden Leistungsausgaben durch die in derselben Periode erhobenen Beiträge der Versicherungsgemeinschaft gedeckt. Die Versicherten, die jetzt Beiträge zahlen, finanzieren damit das Gesundheitssystem für alle Mitglieder der GKV und erhalten so eine Anwartschaft auf Leistungen, wenn sie selbst nicht mehr einzahlen. Doch nun stehen vielen alten Versicherten immer weniger junge Beitragszahler gegenüber. Dadurch sind, werden keine weiteren Sparmaßnahmen oder Leistungsbeschränkungen vorgenommen, weiter steigende Beitragssätze zu erwarten.

Könnte eine kapitalgedeckte Finanzierung von Gesundheit eine sinnvolle Alternative sein? Dies ist das Prinzip der privaten Krankenversicherung (PKV). Besonders liberale und konservative Flügel der Politik befürworten diese Variante, bei der jeder Versicherte sein eigenes Krankheitsrisiko absichert, vor allem, um die Kosten für Arbeitgeber zu reduzieren.

Dem gegenüber steht die Meinung des sozialdemokratischen und linken Flügels, die die solidarische Finanzierung befürworten. Beide Lager sitzen angesichts der Finanzmarktsituation und des demografischen Wandels zwischen Baum und Borke – keine Variante bietet demnach eine zufriedenstellende Lösung gegen das Geldproblem der Sozialversicherung. Auch die vielfach geforderte Bürgerversicherung ist noch lange nicht spruchreif.

Die am leichtesten durchzusetzende Variante ist immer noch die Leistungskürzung. Doch auch das wird nicht unbegrenzt funktionieren. Auf zukünftige Regierungen kommt mit der Gesundheitspolitik noch ein beachtliches Problem zu. Wie dieser gordische Knoten gelöst werden wird, bleibt eine spannende Frage.