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Die Mitgliederzahlen der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen zum Stichtag 1. Juli laut Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums mit 53,555 Millionen auf Rekordniveau. Doch der Markt ist hart umkämpft. Die Einführung kassenindividueller Zusatzbeiträge seit Jahresbeginn 2015 hat den Wettbewerb um neue Mitglieder unter den jetzt noch 123 gesetzlichen Krankenversicherungen (Stand: Juli 2015) neu entfacht. Allerdings ist die Dimension der Wechsler bisher niedriger als erwartet oder erhofft, und nicht immer waren die Bewegungen nach oben oder unten der Höhe der Zusatzbeiträge geschuldet.

Beiträge der Kassen
Durchschnittlich erheben die gesetzlichen Kassen einen Zusatzbeitrag in Höhe von 0,77 Prozent (Gesamtbeitrag 15,37 %). 40 Prozent der Kassen erheben einen unterdurchschnittlichen Beitragssatz, 60 Prozent liegen darüber. Nur zwei regional geöffnete Kassen – die BKK Euregio und die Metzinger BKK – verzichten ganz auf einen Zusatzbeitrag. Die günstigste bundesweit geöffnete Kasse ist die Handelskrankenkasse (hkk). Sie erhebt einen Zusatzbeitrag in Höhe von 0,4 Prozentpunkten. Bereits zum 1. Juli 2015 haben zwei Kassen die Erhöhung ihrer Beiträge bekannt gegeben: die Securvita um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 Prozent und die IKK Nord um 0,4 Prozentpunkte auf den derzeitigen GKV-Spitzensatz von 1,3 Prozent. Marktexperten rechnen mit weiter steigenden durchschnittlichen Zusatzbeiträgen. Die Techniker Krankenkasse, die mit aktuell über neun Millionen Versicherten an der Spitze der Gesetzlichen Krankenversicherung rangiert, geht von einer Erhöhung des Zusatzbeitrages über alle Kassen hinweg im Durchschnitt um 0,25 Prozentpunkte pro Jahr aus. Fakt ist laut dfg 26-15, dass bereits 57 Kassen in den ersten drei Monaten aufgrund der Auswirkungen jüngster Rechenergebnisse ihre Rücklagen angreifen mussten, um die Verluste aufzufangen. Nur die AOKen und die Knappschaft konnten sich im ersten Quartal mit einem positiven Ergebnis hervortun, während alle anderen Kassenarten bereits Defizite verzeichneten (z.B. vdek -101 Millionen Euro). Im zweiten Quartal konnte nun auch die AOK die bisher noch positive Entwicklung nicht halten und verzeichnete ein Defizit bis Ende Juni in Höhe von rund 110 Millionen Euro. Auch die negative Entwicklung im Gesundheitsfonds setzt sich in 2015 weiter fort und verschärft sich zunehmend. So verzeichnete der Gesundheitsfonds bereits im 1. Quartal 2015 ein Minus von 2,68 Milliarden. Das Defizit liegt damit mehr als doppelt so hoch wie im gesamten Jahr 2014. Dass es also vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen über kurz oder lang auf breiterer Front zur Erhöhung der Zusatzbeiträge kommen wird, ist unvermeidbar. Fraglich ist, welche Kassen den längsten Atem haben und wie die einzelnen Kassen sich der Herausforderung stellen, steigende Ausgaben einzudämmen und gleichzeitig Beitrag und Leistungen attraktiv zu gestalten.

Leistungen der Kassen
Neben dem Beitragssatz ist immer auch das Leistungsspektrum Entscheidungskriterium für die Wahl der Kasse. Eine Analyse kassenindividueller Zusatzleistungen von Summary Seven im ersten Quartal zeigte, dass es kaum einen Zusammenhang zwischen Beitragssatz und Zusatzleistungen gibt. Dementsprechend ist eine Aufteilung der Kassenlandschaft in „Premiumkassen“ (hohe Beiträge, viele Zusatzleistungen) und „Discountkassen“ (niedriger Beitrag, keine Zusatzleistungen) aktuell nicht erkennbar. Dass aber nicht nur am Beitrag sondern auch an Leistungen und Service, die für die Versicherten auf den ersten Blick schwer erkennbar und auch zu durchschauen sind, seitens der Kassen geschraubt wird, kann man in der aktuellen Ausgabe des Finanztest 09/2015 lesen. Der hier vorgestellte Vergleich von Beiträgen, Leistungen und Service von 78 Kassen, die insgesamt 96 Prozent aller Versicherten abdecken, soll Versicherten detaillierten Einblick bieten, die Online-Datenbank unterstützt durch Hinterlegung des eigenen Anforderungsprofils bei der Wahl der individuell richtigen Krankenkasse.

Das Fazit des Vergleichs lautet: Leistungskürzungen (TK und DAK) bzw. Streichung (Barmer GEK) im Bereich osteopathischer Leistungen und im Bereich professioneller Zahnreinigung (TK und Barmer) sowie Bonuskürzungen bei der TK und der AOK Plus. Demgegenüber stehen Leistungserweiterungen der AOK Bayerrn und der AOK Baden-Württemberg: bis zu 100 Euro p. a. werden für Reiseimpfung, Alternative Heilmittel und Zahnreinigung erstattet. Vor dem Hintergrund der Kostenreduzierung haben darüber hinaus viele Kassen im Vergleich zum Vorjahr Geschäftsstellen abgebaut. Am stärksten betroffen sind die Barmer GEK (von 800 auf 694) und die DAK (von642 auf 520). Lediglich die TK hat ihr Geschäftsstellennetz um 5 auf 215 vergrößert.

Einfluss auf den Hilfsmittelmarkt
Die dargestellten Zahlen und Fakten sprechen für sich. Die Kassen stehen unter einem enormen Druck. Doch wie wird sich dieser auf Leistungserbringer und Hersteller im Hilfsmittelkontext auswirken? Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft die Marktteilnehmer mit einem enormen Gegenwind bei Vertragsverhandlungen und Erstattungen rechnen müssen. Dadurch wird das Privatzahler- und Aufzahlungsgeschäft weiter an Bedeutung gewinnen müssen. Dementsprechend gilt es, eine differenzierte Strategie für Erstatter und Privatzahler zu erarbeiten, um Einnahmedefizite ausgleichen zu können.