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Kranke Verwandte im Krankenhaus besuchen und nebenbei den Wochenendeinkauf erledigen? Das Klinikmenü schmeckt nicht? Kein Problem, im Erdgeschoss hat gerade ein Fastfood-Restaurant eröffnet! Derlei Gedankengänge könnten in Zukunft in Deutschlands Kliniken öfter vorkommen. Nach Ansicht des Beratungsunternehmens Arthur D. Little bieten Kliniken aufgrund ihrer Infrastruktur und Bausubstanz häufig ideale Voraussetzungen für eine Integration des lokalen Einzelhandels. Die Zunahme des Onlinehandels führe weiterhin dazu, dass Einzelhändler gezwungen sind, ihre Niederlassungen dort zu planen, wo ausreichend Laufkundschaft vorhanden ist. Die Ansiedelung in Kliniken, wo täglich fast rund um die Uhr Menschen an den eigenen Schaufenstern vorbeikommen, klingt da wie der nächste logische Schritt.

Was Patienten und Besuchern bequeme Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten bietet, hat darüber hinaus auch für die Klinikbetreiber ganz klare Vorteile. Die Einnahmen durch die Vermietung an externe Einzelhändler schlagen sich auf der Krankenhausbilanz positiv nieder. Die Vorteile dieses Konzepts für die Kliniken selbst erschließen sich bei einem Blick auf die Ausgabenstatistiken von Krankenhäusern genauer. Im Gesundheitssystem sind sie der größte Posten. Aufgrund des demografischen Wandels und technologischen Weiterentwicklungen werden die Kosten hier in Zukunft weiter steigen. Im Jahr 2014 waren nach Berechnungen des Portals Statista rund 15 Prozent aller Kliniken in Deutschland stark insolvenzgefährdet. Bis zum Jahr 2020 könnte dieser Wert auf 16,8 Prozent steigen. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung Accenture befanden sich im Jahr 2014 in Deutschland drei Prozent der Krankenhäuser in einer finanziell hoch riskanten Situation, 16 Prozent wiesen ein erhöhtes Risiko für eine finanzielle Schieflage auf. Im europaweiten Vergleich schneidet damit recht gut ab. So sind in Portugal 59 Prozent der Krankenhäuser in einer finanziell hochriskanten Situation und von der Schließung bedroht.

Die Anzahl der Kliniken hat seit dem Jahr 2000 von 2.242 auf 1.996 abgenommen. Die Kosten der stationären Krankenhausversorgung ist laut dem Statistischen Bundesamt zwischen 2013 und 2014 um 3,2 Prozent von 75,6 Mrd. auf 78,0 Mrd. Euro gestiegen. Auf die rund 18,8 Mio. Patienten umgerechnet, die im Jahr 2013 vollstationär im Krankenhaus behandelt wurden, lagen die durchschnittlichen Kosten damit bei 4.152 Euro und damit um 2,3 Prozent höher als im Jahr zuvor. Die Gesamtkosten der Kliniken beliefen sich im Jahr 2013 auf 90,0 Mrd. Euro und setzen sich im Wesentlichen aus Personal- und Sachkosten sowie den Aufwendungen für den Ausbildungsfonds zusammen. Diese Kosten gegenzufinanzieren gestaltet sich für viele Kliniken zunehmend schwierig. Die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen klafft immer weiter auseinander. Die Mieteinnahmen externer Ladenbetreiber wären in Zeiten klammer Klinikkassen daher eine willkommene Einnahmequelle. Die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little prognostiziert aus diesem Grund, dass der Einzelhandel zunehmend öffentliche Bereiche wie Kliniken und große Infrastrukturprojekte erobert.

Wie die „Ärztezeitung“ am 9. Februar berichtete, wurde das Konzept der Integration des Einzelhandels in das Klinikumfeld in anderen Ländern bereits umgesetzt. So seien in einem Krankenhaus im britischen Cambridge neben einer Fastfood-Kette und einer Bank auch ein Café, eine Rechtsanwaltskanzlei sowie ein Reisebüro angesiedelt. Ein Krankenhaus in London verfüge sogar über ein Kino. In Orlando, Florida entsteht derzeit ein Krankenhaus, welches in einem Erholungspark integriert ist. Besucher und Patienten werden dort zukünftig Einkaufsmöglichkeiten und Gesundheitsgastronomie vorfinden. Auch in Deutschland sind in Krankenhäusern schon heute Geschäfte, die thematisch in Beziehung zum Krankenhausbetrieb stehen, angesiedelt. Beispielsweise Friseure mit angeschlossenem Perückenhandel, Floristen, Buchhandel etc. Auch wenn es jetzt vielleicht noch schwer vorstellbar ist, eine Fastfood-Filiale in einem Krankenhaus zu sehen, ist dies langfristig nicht undenkbar. Dies wird vermutlich zuerst auf Kliniken in Ballungsgebieten zutreffen, da sich dies kaufmännisch gesehen am ehesten für die Einzelhändler lohnt. Kliniken in strukturschwachen Regionen stellen dagegen ein Risiko für eine Ansiedelung dar, da diese für potentielle Kunden häufig nicht ohne weiteres erreichbar sind.