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Hilfsmittelausschreibungen sind in vielen Produktgruppen bereits Standard. Der Bereich Stomaversorgung war davon bislang ausgenommen – Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) gab nun allerdings bekannt, die Stomaversorgung ihrer Versicherten in Zukunft auszuschreiben. Kritik ließ nicht lange auf sich warten.

Versorgung leidet unter Spardiktat

Die Versorgung mit Hilfsmitteln kann für gesetzlich Versicherte schnell zum Ärgernis werden: Zu teils mangelhafter Produktqualität kommen nicht selten noch private Aufzahlungen sowie eine nicht ausreichende Versorgungsmenge an Produkten. Grund: Ausschreibungen zu immer niedrigeren Pauschalbeträgen. Dies habe in der Inkontinenzversorgung bereits zu deutlichen Qualitätseinbußen geführt, so der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in einem Statement.

Der BVMed kritisiert Ausschreibungen bereits seit Langem. Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt betont: „Wir befürchten ein weiteres Absinken des  Versorgungniveaus.“ Besonders dienstleistungsintensive und komplexe Hilfsmittelversorgungen wie die Stomaversorgung und die Versorgung mit Antidekubitus-Hilfsmitteln dürften nicht unter dem Spardiktat der ausschreibenden Kassen leiden, so der Verband. Die Erfahrungen in der Inkontinenzversorgung hätten gezeigt, dass Ausschreibungen zu Qualitätsverlusten in der Patientenversorgung und zu Aufzahlungen geführt haben. Schmitt: „Wir befürchten, dass jetzt die betroffenen Patienten in der Stomaversorgung ähnliche Erfahrungen machen müssen, zumal auch hier als einziges Zuschlagskriterium wieder der niedrigste Preis gewählt wurde.“ Hier müsse die Politik regulierend einschreiten.

Den Aspekt Produktqualität will der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit einer Reform des Hilfsmittelverzeichnisses angehen. Zweifellos, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ausreichen wird das allerdings nicht. Zwischen den Patienten und einer besseren Versorgung stehen immer noch Hilfsmittelausschreibungen der Krankenkassen. Ein Umstand, der immer mehr in die Kritik gerät.

Mit Ausschreibungen kontrollieren Krankenkassen die Ausgaben für die Hilfsmittelversorgung. Das ist an und für sich nicht verwerflich, aber dabei muss klar sein: Gute Qualität gibt es nicht zum Schleuderpreis. Wer die monatlichen Pauschalen für Hilfsmittel kontinuierlich senkt, zwingt Leistungserbringer entweder, die billigsten Produkte zu liefern oder bei den Patienten private Zuzahlungen zu erheben. Diese sind in beiden Szenarien die Leidtragenden.

Ohne finanzielle Anreize keine Produktinnovationen

In Deutschland tragen zwischen 130.000 und 160.000 Menschen ein Stoma. Zu den Produkten der Stomaversorgung gehören Versorgungsbeutel zur Aufnahme der Körperausscheidungen, Basisplatten zum Anbringen der Beutel und zum Schutz der Haut sowie Pflegemittel und Zubehör.

Der Markt zeichnet sich durch ein leichtes Wachstum der Patientenzahlen und zunehmenden Preisdruck aufgrund von Pauschalen aus. Diese Entwicklung führt zu einem leicht schrumpfenden Gesamtmarkt. Die Abrechnung erfolgt hauptsächlich über Pauschalbeträge, nur 20 Prozent der Versorgungen werden über Festbeträge abgerechnet. Derzeit liegt das Erstattungniveau bei rund 200 Euro (netto) pro Monat. Eine Erhöhung der Erstattungssätze scheint mehr als unwahrscheinlich.

Der Wettbewerbsdruck durch den Markteintritt ausländischer Hersteller, vor allem aus den sogenannten Billiglohnländern, wird in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach steigen. Aufgrund der fehlenden finanziellen Anreize, bedingt durch unzureichende Erstattungssysteme und Monatspauschalen, ist in nächster Zeit nicht mit Produktinnovationen zu rechnen. Die Produktqualität kann zum jetzigen Zeitpunkt allerdings als hochwertig bezeichnet werden.

Durch Ausschreibungen wird sich die Qualität aber aller Wahrscheinlichkeit verschlechtern. Sind Ausschreibungen erstmal an der Tagesordnung ist es eine Frage der Zeit, bis die Pauschalen sinken, wenn auch keine Zustände wie in der Inkoversorgung zu befürchten sind. Inko und Stoma haben allerdings gemein, dass es sich um besonders sensible Bereiche in der Patientenversorgung handelt. Noch immer wird nur hinter vorgehaltener Hand darüber geredet, wenn man auf Windeln oder Stomabeutel angewiesen ist, denn Körperausscheidungen sind per se Tabuthemen. Ein Umstand, der die Position der Patienten in Verhandlungen mit Krankenkassen schwächt.