Seite wählen

Die Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fahren weiter Defizite ein. Laut Vorabberichten fuhren die Kassen im ersten Quartal dieses Jahres 170 Mio. Euro ein, im zweiten Quartal summierte sich das Defizit bereits auf 460 Mio. Euro. Sogar die AOK rutschte laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) mit 110 Mio. Euro ins Minus. Bislang galt die Kasse immer als finanziell gut aufgestellt und erwirtschaftete im Gegensatz zu den übrigen Kassen sogar Gewinne. Versicherte müssen sich auf steigende Beiträge einstellen.

Gehen Politiker zu großzügig mit dem Geld der Beitragszahler um?

In den kommenden Jahren müssen gesetzlich Versicherte mit einem deutlichen Anstieg des individuellen, einkommensabhängigen Zusatzbeitrags rechnen. „Wenn man die absehbaren Ausgabenentwicklungen und das strukturelle Defizit der Kassen hochrechnet, werden die Zusatzbeiträge in den kommenden Jahren weiter deutlich steigen. Für 2019 rechnen wir mit einer Erhöhung des Durchschnitts auf insgesamt 1,4 bis 1,9 Prozent“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands gegenüber der Nordwest Zeitung. Doch auch schon im kommenden Jahr prognostizieren Experten einen Anstieg der Beiträge um 0,2 bis 0,3 Prozent. Pfeiffer macht dafür weniger schlechtes Wirtschaften der Kassen verantwortlich, sondern vielmehr gesetzliche Veränderungen. Politiker gingen zu großzügig mit dem Geld der Beitragszahler um. Sie fordert daher mehr Sparsamkeit und Augenmaß bei der anstehenden Krankenhaus-Reform. Ziel müsse eine Verbesserung der Patientenversorgung sein, nicht die der Einnahmen der Krankenhäuser.

Schon 2016 rund 420 Euro mehr pro Jahr

Die SPD will Arbeitgeber wieder stärker an den Gesundheitskosten beteiligen. Der eingefrorene Arbeitgeberanteil von 7,3 Prozent soll laut der Partei zur Disposition gestellt und ein System entwickelt werden, das verhindert, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zu stark auseinanderdriften. der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, erklärte am 8. September gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Kostensteigerungen bleiben derzeit allein bei den Arbeitnehmern hängen. Das ist nicht durchzuhalten und nicht gerecht.“ Auch Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), plädiert für eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung. „Die steigenden Gesundheitskosten allein den Arbeitnehmern aufzubürden, war und ist ein großer Fehler der Politik“, so Buntenbach, und weiter: „Ihre Einwände gegen die Parität sind wirklich eine Zumutung, wenn man sich anschaut, was auf die Arbeitnehmer zukommt: Durch steigende Beiträge und Zusatzbeiträge wird ein Durchschnittsverdiener schon 2016 rund 420 Euro im Jahr mehr zahlen. Und auch die Arbeitgeber wissen, dass spätestens ab 2019 die Kosten für Gesundheit explodieren werden.“

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) indes hält nichts von einer paritätischen Finanzierung der Gesundheitsausgaben. Die Festschreibung des Arbeitgeberanteils war in den Koalitionsverhandlungen ein Kernanliegen der CDU. Die Begründung: Die Kosten für Arbeit sollen nicht weiter steigen. Innerhalb der laufenden Legislaturperiode sollte daran ursprünglich auch nicht gerüttelt werden. Eine Erhöhung des Arbeitgeberanteils wäre dann erst nach 2017 möglich und benötigt eine Mehrheit im Bundestag. Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung der Versicherten und der Kassen wäre, den Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds stärker zu erhöhen.

Tatsächlich erscheint es auf kurze Sicht unwahrscheinlich, dass der eingefrorene Arbeitgeberanteil zugunsten einer paritätischen Finanzierung aufgetaut wird. Zwar rechnen Experten mit einer Beitragssenkung um bis zu 0,45 Prozentpunkte, allerdings auch mit Widerstand der Wirtschaftslobby sowie von Seiten der CDU. Doch in der Großen Koalition mehren sich die Stimmen zugunsten einer gerechteren Verteilung der Gesundheitskosten. 2017 wird sich an der Wahlurne entscheiden, wer mit welchem Anteil die GKV in Zukunft finanziert.