Seite wählen

Aktuell ist ein Trend der Krankenkassen dahingehend zu verzeichnen, dass die Versorgung von Patienten mit Inkontinenzprodukten über Pauschalverträge und Ausschreibungen organisiert wird. Dass diese Rechnung auf Kosten der Lebensqualität von Inkontinenzpatienten erstellt wird, zeigt eine Umfrage, die von führenden Herstellern von Hilfsmitteln für intermittierenden Selbstkatheterismus (ISK) im Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) durchgeführt wurde. 90 Prozent der Betroffenen bestätigten, dass die selbstbestimmte Nutzung von Einwegkathetern ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in großem Ausmaß erleichtere.

Zudem besteht bei dieser Praxis der Krankenkassen kein Konsens mit der Bundesregierung, die aktuell bestrebt ist, die Versorgung von Patienten im Gesundheitsbereich zu verbessern. Hinzu kommt, dass derzeit keine  Daten und Fakten vorliegen, die die einschränkende Erstattungspraxis der GKV rechtfertigen würden. Die ISK-Hersteller wollen das nicht hinnehmen. Am Beispiel der ableitenden Inkontinenz-Hilfsmittel sollen für alle Akteure im Gesundheitssystem wichtige Basisdaten erhoben werden, die der Lebensqualität der Menschen besondere Beachtung schenken. Auf deren Grundlage sollen dann im Konsens mit der Gesundheitspolitik gemeinsam geeignete Kriterien festgelegt werden.

Die ISK-Hersteller fordern die Krankenkassen daher auf, weitere Pauschalierungsversuche zunächst auszusetzen, da Folgen noch nicht abschätzbar sind.

Inkontinenz ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der wachsenden Zahl der Pflegebedürftigen ein unausweichliches Thema. Derzeit sind über neun Mio. Menschen in Deutschland inkontinent. Jedenfalls bei den harninkontinenten Patienten ist es bislang dank moderner medizinischer Hilfsmittel möglich, die Inkontinenz selbstständig zu beherrschen. Durch die neue Praxis der Krankenkassen, Pauschalverträge zu schließen oder Ausschreibungen durchzuführen, wird die selbstständige Versorgung der Patienten, in der Fachsprache intermittierender Selbstkatheterismus genannt, erheblich eingeschränkt. Die Unternehmen der Branche werden in der Konsequenz daraus die Liefermengen von solchen Einmalkathetern reduzieren und ihr Gesamtportfolio beschränken.

Die GKV beruft sich indes darauf, dass der Pauschalierung auf einem rechnerischen Durchschnittswert beruht. Dies wird dahingehend kritisiert, dass pauschale Lösungen den individuellen Inkontinenzproblemen nicht gerecht werden. Würde von der derzeitigen Qualität der Inkontinenzhilfsmittel abgewichen werden, drohen zudem weitere finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems durch Folgeerkrankungen wie chronische Harnwegsinfekte und multiresistente Keime, deren Behandlung als zeit- und kostenintensiv gilt.

Die Krankheitsbilder, die der Inkontinenz zugrunde liegen, sind oft sehr unterschiedlich, daher muss die Versorgung auch individuell sein, um größtmöglichen Nutzen zu bringen. Dies gilt nicht nur für Inkontinenzhilfsmittel.

Mit dem neuen Qualitätsanspruch, der unter anderem auch durch die Gesundheitsreform 2015 durchgesetzt werden soll, lässt sich die Pauschalierungspraxis jedenfalls nicht vereinbaren. Die Kassen erhalten aus dem Gesundheitsfonds finanzielle Mittel für ihre Versicherten. Reduzieren sie die Versorgungsleistungen über Pauschalverträge und Ausschreibungen, verdienen sie an der schlechteren Versorgung der Patienten durch die finanziellen Vorteile, die sie durch die Versorgung Behinderter erlangen. Hier sollte nach Meinung der Kritiker Abhilfe geschaffen werden.