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Der Marktplatz rund um medizinische Software ist aktuell im Aufbruch. In der vergangenen Woche trafen sich im Ruhrgebiet die Chefs tragender Unternehmen der Krankenhausinformationssystem (KIS)-Herstellerbranche. Das Fach-Symposium war für Beobachter der Branche deswegen interessant, da es in den vergangenen Monaten schon spektakuläre Übernahmen gab. Cerner, einer der Marktführer der KIS-Branche aus den USA, machte mit dem Erwerb der Healthcare-IT-Sparte von Siemens im August von sich reden. 1,3 Mrd. Euro war Cerner der Deal mit Siemens wert.

Nun ist der US-Konzern Besitzer des zweitgrößten deutschen KIS-Anbieters. Wie es scheint spielen für den Deal auch gesundheitspolitische Hintergründe eine Rolle, denn Siemens erwirtschaftet den Großteil seines Umsatzes mit seiner Healthcare IT in den USA. Dies ist möglicherweise entscheident für Cerner gewesen. Es ist anzunehmen, dass das Unternehmen auf die wachsende Bedeutung von Selektivverträgen in den USA reagieren will, bei denen Gesundheitsanbieter die Verantwortung für die Behandlungen von ganzen Bevölkerungsgruppen einer Region übernehmen. Für diese sogenannten Bevölkerungsmanagementmodelle ist die elektronische Steuerung und Verwaltung von zentraler Bedeutung. IT-Anbieter, die in einer Region eine kritische Masse an Leistungserbringern anbieten können, haben höhere Chancen, den Zuschlag zu bekommen. Noch nicht abschließend geklärt ist das Schicksal des KIS-Produktes ISH-med aus dem Hause Siemens. SAP hat daran ein Vorkaufsrecht und scheint noch zu überlegen, ob er dieses ausüben wird. Mit einer Entscheidung ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Spätestens 2015 soll der Siemens-Cerner-Deal dann vollständig abgeschlossen sein.

Weitere Transaktionen waren die Übernahme des KIS von Brightone durch die Telekom Ende 2013, ehemals Tieto, sowie die Übernahme der Mannheimer KIS-Schmiede I-Soft durch Radiomed im August.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wirft aber die Frage danach auf, wie die Daten zukünftig verarbeitet werden können. Geschieht dies weiterhin anhand einer Akte oder wird der Arzt verschiedene Apps nutzen müssen? Diese Frage beschäftigte auch das Symposium, dessen Moderator zu bedenken gab, dass die vielen Demenz- und Parkinsonpatienten ihre Schwierigkeiten mit der Anwendung solcher Softwarelösungen wie für das Iphone haben werden. Eine Einbindung der Angehörigen wird daher unumgänglich sein.

Aus unserer Sicht ein etwas oberflächlicher Lösungsvorschlag, wenn man überlegt, dass heutzutage immer mehr Senioren allein sind, die Geburtenraten der Deutschen nach wie vor niedrig ist und die Zahl der an neurologischen Krankheiten leidenden alten Menschen weiter wächst. Nach aktuellen Meldungen kommen laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft pro Jahr 300.000 Menschen dazu, die von Demenz, einem Schlaganfall oder von Schmerzerkrankungen und Schwindel betroffen sind. Allein in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl dieser Patienten um 25 Prozent gestiegen.

Der Greifswalder Gesundheitsforscher Wolfgang Hoffmann gab anlässlich des Welt-Alzheimertags am 21. September 2014 eine Einschätzung ab, wonach das Gesundheitssystem in Deutschland auf die jahrelange Betreuung von Menschen, die an Demenz leiden bislang nicht vorbereitet sei. Es muss ein belastbares und stabiles Netz an Betreuungsmöglichkeiten aufgebaut werden. Das betrifft sämtliche Dienstleister im Gesundheitswesen wie Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste, Ergotherapie, Physiotherapie, den Hausarzt und den Apotheker, aber auch das häusliche Umfeld. 

Die Gesundheits-IT-Branche ist also herausgefordert, nicht nur der Sache nach innovative Produkte zu entwickeln, sondern diese für die Zielgruppen auch anwenderfreundlich zu gestalten. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Gesichtspunkt bei dem eingeschlagenen Konsolidierungskurs nicht auf der Strecke bleibt, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Einführung flächendeckender Krankenhaus-IT vor allem auch Kosten gespart werden sollen.