Fast jeder, der ein Tablet oder Smartphone (neuerdings auch eine Smartwatch) besitzt, hat auch eine Fitness- oder Wellness-App installiert. In den Online-Stores von Apple, Android und Co. finden sich inzwischen viele tausend dieser Anwendungen, von Trainingsplänen bis hin zu Entspannungsprogrammen. Medizinische Anwendungen finden sich darunter bisher aber kaum. Das könnte sich bald ändern.
Mobile Health, oder auch mHealth, umfasst medizinische Verfahren und Maßnahmen, die mit mobilen Kommunikationsgeräten (Tablet, Smartphone, Sensoren etc..) unterstützt und durchgeführt werden. Auch medizinische Apps fallen unter diesen Begriff. mHealth kann dabei als Weiterentwicklung von eHealth definiert werden. Das Problem an medizinischen Apps: Sie unterliegen den Richtlinien von Medizinprodukten, was die Zeit zwischen Entwicklung und Markteintritt deutlich in die Länge zieht, verteuert und stark reglementiert. Dies wirkt sich bisher noch stark innovationshemmend aus.
Nicht nur für jüngere Patienten
Die Techniker Krankenkasse (TK) lehnt sich hinsichtlich mHealth weit aus dem Fenster – sie ist die erste und bisher einzige Kasse in Deutschland, die eine App auf Rezept als Kassenleistung anbietet. Es handelt sich dabei um die App „Tinnitracks“, die mit der eigenen Lieblingsmusik die Intensität eines vorhandenen Tinnitus lindern soll. Dafür werden individuell Frequenzen aus der Musik herausgefiltert, dadurch sollen sich überaktive Nervenzellen des Patienten beruhigen. Vorerst kommen aber nur Versicherte in den Genuss dieser innovativen Leistung, die bei einem HNO-Arzt in Hamburg in Behandlung sind.
Derartige Behandlungsalternativen erscheinen durchaus sinnvoll – gerade junge Menschen haben das Smartphone immer dabei, und auf dem Weg von A nach B wollen sie nicht auf die Lieblingsmusik verzichten. Über den Tag kommen so leicht ein paar Stunden „Behandlung“ zusammen, auch die Compliance dürfte deutlich höher liegen als bei Behandlungen, für die Patienten mehrmals die Arztpraxis aufsuchen oder zuhause spezielle Geräte bedienen müssen.
Gleiches gilt für einen Sensor zur Bestimmung des Blutzuckerwertes, der aktuell von der DAK Gesundheit in einem Modellversuch getestet wird. Anstatt mehrmals täglich mit einer Lanzette einen Tropfen Blut entnehmen zu müssen, können die Träger mit dem System Libra Freestyle des Herstellers Abbott nicht-invasiv ihren Glukosespiegel bestimmen. Der Sensor wird am Körper getragen, misst die Werte fortlaufend und überträgt die Daten auf ein Display. Die fortlaufende Messung bietet dabei zahlreiche Vorteile. so können etwaige Schwankungen des Glukosespiegels schneller erkannt werden, Auswirkungen des Lebensstils werden deutlich sichtbar und Krankenhauseinweisungen können möglicherweise verhindert werden. Dies könnte Kosten einsparen, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass der Modellversuch erfolgreich verlaufen wird und der Sensor künftig mehr Diabetikern zur Verfügung gestellt werden könnte. Das Beispiel der DAK zeigt, dass mHealth sich nicht ausschließlich an junge, technikaffine Menschen richtet. Der Nutzen, der sich aus der Anwendung ergibt, ist unabhängig vom Alter.
Wearables als technische Voraussetzung für medizinische Apps
Jetzt könnte sich das Angebot von mHealth-Angeboten deutlich vergrößern. Grund: Die sogenannten Wearables finden langsam aber sicher den Weg in den Alltag. Während vor einigen Jahren von nur wenigen technikaffinen Menschen genutzt wurden, erscheint mittlerweile gefühlt jede Woche ein neues Modell für jeden Geschmack und Geldbeutel. Auch Fitnesstracker, meist in Form von Armbändern, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und Verbreitung.
Die technischen Voraussetzungen und unternehmerisches Potenzial, weitere explizit medizinische mHealth-Anwendungen zu entwickeln, ist damit vorhanden. Jetzt müssen Anreize geschaffen werden, mehr Angebote zur Marktreife zu führen. Die rechtlichen Anforderungen zu senken sollte dabei keine Option sein. Es ist sinnvoll, dass auch Apps die hohen Standards des Medizinproduktegesetzes etc. erfüllen müssen, andernfalls bestünde die Gefahr, dass mHealth-Produkte auf den Markt kommen, die nicht sicher sind oder einen zu geringen Nutzen aufweisen. Stattdessen könnten Kooperationen zwischen Wissenschaft und Unternehmen, die sich die Entwicklung von mHealth-Angeboten auf die Fahnen schreiben, gefördert werden. Langfristig wird sich auch die Politik mit der Thematik befassen müssen, ähnlich wie es bereits mit eHealth der Fall ist.