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Sind Pflegebedürftige bei Pflegediensten und in Pflegeheimen in guten Händen? Der kürzlich bekannt gewordene Pflegeskandal hat viele Menschen verunsichert. Erneut wurde deutlich, dass bisherige Standards und Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichen, um die Qualität von Pflege zu sichern und transparent darzustellen. Die Politik ist nun im Zugzwang.

Mehrere russische Pflegedienste sollen in den vergangenen Jahren die deutschen Sozialkassen systematisch betrogen haben. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat laut Medienberichten inzwischen auch Hinweise auf Strukturen organisierter Kriminalität in diesem Bereich. Sozialkassen und damit auch Beitragszahlern sei ein finanzieller Schaden entstanden, der sich zwischen einem hohen dreistelligen Millionenbetrag bis hin zu einer Mrd. Euro bewegen soll.

bpa: Angehörige und Pflegebedürftige tragen Mitschuld

Angesichts der Berichte warnten Pflegeverbände vor einer pauschalen Vorverurteilung und appellierten an die Behörden, die Sachlage rasch aufzuklären. Ulla Rose, Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), sprach sich für eine Ahndung von Straftaten aus und warnte gleichzeitig: „Mit pauschalen Vorwürfen gegen die gesamte Branche kommen wir jedoch nicht weiter.“

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) ging sogar noch einen Schritt weiter und erklärte in einer Stellungnahme: „Zur Einordnung der derzeitigen Berichterstattung über kriminelles Verhalten im Bereich der ambulanten Pflege von einzelnen russischen Pflegediensten sei vorausgeschickt, dass diese nur möglich sind, wenn Angehörige, Pflegebedürftige und Pflegedienste in betrügerischer Absicht zusammenwirken. Alle Leistungen müssen von den Pflegebedürftigen und den Pflegekräften täglich abgezeichnet und der Pflegekasse monatlich mit der Rechnung vorgelegt werden. Zudem finden regelmäßig Qualitäts- und Rechnungsprüfungen im Auftrag der Pflegekassen und Krankenkassen statt. Art, Umfang und Menge der Krankenpflegeleistungen werden vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse genehmigt. Es gibt kleinteilige Kontrollen und nur durch ein gemeinsames kriminelles Handeln sind die aufgezeigten Fälle überhaupt möglich.“

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) stellte in der Zwischenzeit klar, dass nach Gesetzeslage unangemeldete Kontrollen in häuslicher Umgebung nicht so einfach möglich seien. Besonders in der ambulanten Intensivpflege entstehen so Lücken, die kriminelle Pflegedienste ausnutzen können. Die Schuldzuweisung des bpa erscheint angesichts dieser Gesetzeslücke zynisch.

„Transparenzversprechen dürfen keine Mogelpackung sein“

Auch die Pflegenoten, welche ursprünglich zur Erhöhung der Transparenz der Pflegequalität eingeführt wurden, können derartige Fälle offensichtlich nicht verhindern. Das verwundert kaum, gelten Pflegenoten doch als so verwässert, dass praktisch jedes Heim die Bestnote erhält, auch wenn die Pflege schlecht ist.

Laut einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) vertrauen Pflegebedürftige und Angehörige bei der Wahl eines Heims oder Dienstleisters daher hauptsächlich auf Informationen aus erster Hand, also auf Erfahrungen von Freunden, Bekannten und Angehörigen. Nur fünf Prozent der Befragten verlassen sich laut Studie auf offizielle Bewertungen. Von denjenigen, die die Pflegenoten kennen, meinen nur 22 Prozent, dass sie verlässliche Informationen über die Pflegequalität bieten. Aus dieser Gruppe hält jeder Zweite notenbasierte Bewertungssysteme für generell ungeeignet.

Insgesamt zeigen sich die Befragten verunsichert, ob wirklich alle Menschen in Pflegeeinrichtungen gut versorgt werden. Mehr als zwei Drittel gehen davon aus, dass die Qualität von Einrichtung zu Einrichtung stark variiert. Für Qualitätsmängel professioneller Pflegeangebote machen 71 Prozent fehlendes Personal und die daraus resultierende Arbeitsüberlastung als Hauptursache verantwortlich. Der Zeitmangel führe auch dazu, dass persönliche Zuwendung und Kommunikation zu kurz kommen, davon zeigten sich 85 Prozent der Befragten überzeugt und schätzten diese Aspekte gleichzeitig als sehr wichtig ein.

„Unsere Ergebnisse untermauern, dass wir Pflegebedürftige und ihre Nächsten aber auch die in der Pflege Tätigen bei der Darstellung von Pflegequalität mehr als bisher ernst nehmen müssen. Transparenzversprechen dürfen keine Mogelpackung sein. Der derzeit laufende Reformprozess ist eine Chance, nun ein belastbares Bewertungs- und Darstellungssystem zu liefern. Es ist zugleich eine Pflicht, den Nutzern aber auch den Erbringern von Pflegeleistungen aus einer Vertrauenskrise in das Transparenzsystem zu helfen“, erklärt der ZQP-Vorstandsvorsitzende Dr. Ralf Suhr.

Die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen betrügerischen Pflegedienste nehmen unterdessen Fahrt auf. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen die Politik aus diesen Vorfällen ziehen wird.