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Trotz allen Errungenschaften in der modernen Prothetik sind Menschen nach Amputationen hinsichtlich Mobilität und Bewegungsqualität deutlich eingeschränkt. Selbst modernste Prothesen können natürliche Bewegungsabläufe nicht uneingeschränkt abbilden, noch dazu sind derartige High-Tech-Produkte aufgrund ihrer hohen Kosten längst nicht in der Regelversorgung angekommen. Neben allen Einschränkungen müssen Träger noch dazu auf eine der wichtigsten Fähigkeiten von natürlichen Gliedmaßen verzichten: Den Tastsinn.

Diesen wollen Wissenschaftler aber nun den Prothesen beibringen. Eine Sensorhaut rechnet dafür mechanische Druckreize in optische Signale um, die von Nervenzellen verarbeitet werden können. Prothesen sollen damit „natürlicher“ werden.

Verbindung der Prothese mit Nervenzellen könnte bald möglich sein

Beim Stichwort Haut denkt man kaum an Piezowiderstände und Transistoren, aber genau diese sorgen dafür, dass der Prototyp der künstlichen Haut Druckreize in unterschiedlichen Stärken registrieren und verarbeiten kann.

Die Wissenschaftler der Universität Stanford simulieren die Mechanorezeptoren der Haut, indem sie zwei Hautschichten aus einem flexiblen, hauchdünnen Polyurethan-Kunststoff kombinieren. Die obere Schicht enthält dabei Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, sowie integrierte organische Transistoren. Die Nanoröhrchen fungieren dabei als Piezowiderstand, der abhängig von der Stärke eines Druckreizes elektrische Spannungen bis zu elf Volt leitet. Die Transistoren wandeln diese Spannung in elektrische Pulse mit Frequenzen zwischen Null und 200 Hertz um. Die so entstandenen elektrischen Pulse werden anschließend zu der unteren Schicht geleitet, in die eine Leuchtdiode integriert ist. Abhängig von der Frequenz der Pulse blitzt die Diode auf. Auf diese kurzen Lichtblitze können künstlich gezüchtete Nervenzellen reagieren: Sie senden ihrerseits elektrische Impulse aus, die prinzipiell von einem Nervensystem verarbeitet werden können. Im Mausmodell hat sich dieses Prinzip als erfolgreich gezeigt.

Auch in Südkorea ist man in der Entwicklung einer künstlichen Haut weit fortgeschritten. Forscher der Universität in Seoul ist es gelungen, eine künstliche Haut, genannt „Smart Skin“, zu entwickeln, die aus einem Silikonmaterial besteht, das mit Golddrähten durchzogen ist. Je Quadratmillimeter registrieren rund 400 Sensoren Berührung, Wärme und sogar Feuchtigkeit. Um die Kunsthaut noch natürlicher zu machen, ist sie zudem dehnbar und mit Hitzeleitern durchzogen, die die Haut auf Körpertemperatur erwärmen. Die Forscher arbeiten nun an einer Verbindung der Sensoren mit dem menschlichen Nervensystem.

Mehr als nur Tastsinn: Forscher entwickeln künstliche Muskeln 

Mit künstlicher Haut, die auf Druckreize reagiert, ist es aber noch nicht getan. Rund um die Welt forschen Wissenschaftler, wie man Prothesen noch lebensechter machen könnten. Die Forschung ist hier schon sehr weit fortgeschritten, beispielsweise existieren schon Prototypen eines künstlich hergestellten Muskels.

Das Material für den künstlichen Muskel fanden die Forscher der Universität Taipeh dort, wo man es am wenigsten vermuten würde: In der Haut von Zwiebeln. Diese wird einer Säurebehandlung unterzogen, gefriergetrocknet und anschließend mit einer dünnen Goldschicht überzogen, um sie elektrisch leitfähig zu machen. Das so hergestellte künstliche Muskelgewebe kann sich laut Angabe der Forscher sowohl zusammenziehen als auch strecken. Zuvor schien es unmöglich, beide Eigenschaften zu vereinen. Künstliche Muskeln könnten künftig Prothesen deutlich beweglicher, effizienter und leistungsfähiger machen.

Denkt man einmal zehn Jahre weiter, wird die Prothetik den Patienten eine Funktionalität und Tragekomfort ermöglichen, die sich kaum noch vom „natürlichen“ Zustand unterscheiden. Treiber dieser Entwicklung ist nicht nur der immer schnellere technologische Fortschritt, sondern auch die Nachfrage. Der Bedarf an Prothesen wird in Zukunft weiter steigen, da die Bevölkerung älter wird, Unfälle und Krankheiten, die zu Amputationen führen können, zunehmen. Hightech-Prothesen, mit denen die Patienten sogar fühlen können, werden die Lebensqualität deutlich verbessern und das Stigma Prothese weiter abbauen.