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Ein Gesundheitssystem steht immer vor der Herausforderung das medizinisch Notwendige für alle Bewohner eines Landes zu leisten, ohne dabei Überkapazitäten aufzubauen und somit Gelder zu verschwenden. Die Praxisgebühr, ein wichtiges Instrument zur Verhaltenssteuerung der Versicherten, wurde im Jahr 2013 abgeschafft. Nun fordert der KV-Chef von Sachsen Dr. Klaus Heckemann in der „Freien Presse“ das Prinzip der Zuzahlung auch auf andere Bereiche zu erweitern.

So könne eine Verhaltenssteuerung erreicht werden und zugleich die Patienten mehr an den Kosten ihrer individuellen Erkrankung beteiligt werden. Patienten sollen zukünftig nicht nur für Medikamente, Hilfsmittel, Physiotherapie und Krankenhausaufenthalte zahlen, auch für Behandlungen beim Haus- und Facharzt sollen die Patienten zur Kasse gebeten werden. Heckemann sagte, dass er ein Modell entwickelt hat, welches sozial ausgewogen ist und jedem die notwendige Behandlung garantiert.

Sein Modell sieht eine Eigenbeteiligung des Versicherten vor, welche sich nach dem Einkommen des Versicherten und nach der Art der beanspruchten Leistung richtet. Um Überforderung von einkommensschwachen Patienten zu vermeiden, soll es eine maximale Belastung pro Jahr geben. Bei Einkommen bis 9.000 Euro soll die maximale Jahreszuzahlung bei 90 Euro liegen (1%). Für Einkommen von 45.000 Euro soll die höchstmögliche Zuzahlung bei 1.250 Euro liegen (2,78%). So soll neben dem gesteigerten Kostenbewusstsein der Versicherten auch die Zahl der Arztbesuche sinken. Mit einer sinkenden Zahl von Arztbesuchen würden neben den Wartezeiten für Fachärzte auch die Ausgaben der GKV deutlich sinken.

Durch die heutige Budgetierung im ambulanten Bereich wird der Schwarze Peter allein den Ärzten zugeschoben, so Heckemann weiter. Nach der Ausschöpfung des Budgets müssen die weiteren Patienten ohne Bezahlung versorgt werden. Durch das System der Zuzahlung wäre eine zusätzliche Budgetierung unnötig. Heckemann selbst sieht sich in seinen Reihen bestätigt. Ihm ist bewusst, dass eine solche Veränderung im Moment nicht durchsetzbar ist, aber in 10 Jahren würde am Prinzip einer höheren Eigenbeteiligung kein Weg mehr vorbei führen.

Gegenwind erhält Heckemann vom Verband der Ersatzkassen (vdek). „Noch mehr finanzielle Lasten einseitig den Versicherten aufzubürden, halte ich für äußerst unangebracht,“ sagte die Leiterin der vdek-Landesvertretung Sachsen, Silke Heinke. Eine stärkere Eigenbeteiligung würde das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge noch weiter aushöhlen.

Die Einführung der Praxisgebühr war für viele gesundheitsökonomischen Experten das richtige Signal an das Versichertenkollektiv. Das Gesundheitssystem stellt nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung. Wer es nutzen möchte, sollte eine Art Eintrittsgeld bezahlen. Spätestens, als sich die Überschüsse der Kassen im 20-Milliarden-Euro-Bereich bewegten, war die Praxisgebühr politisch nicht mehr vertretbar und wurde abgeschafft. Für die Experten war dieser Schritt einer in die falsche Richtung. Sie waren der Meinung, dass eine Zahlung bei jedem Arztbesuch fällig werden sollte, um eine ausgeprägtere Steuerungsfunktion zu erreichen. Zudem würde eine Flatrate-Mentalität vermieden werden.

Die politischen Ziele wurden mit der Abschaffung der Praxisgebühr auf jeden Fall erreicht. So sank im Folgejahr nach der Abschaffung der Praxisgebühr der Beitrag der privaten Haushalte zum Gesundheitssystem um 34%. Zugleich stieg beispielsweise jedoch die Zahl der Zahnarzt-Behandlungsfälle um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Zudem ist es verwunderlich, dass gerade die KV Sachsen einen so strickten Wandel fordert, da in diesem Bundesland die durchschnittliche Anzahl der Arztbesuche am niedrigsten ist (15,8 Besuche). Im Vergleich: Im Saarland stehen Patienten durchschnittlich 19,5 Mal im Jahr mit einem Arzt in Kontakt. Im bundesweiten Durchschnitt sind es 17,7 Kontakte pro Jahr.