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Medizintechnik „Made in Germany“ genießt international einen sehr guten Ruf und wird stark nachgefragt. Unter den stärksten exportierenden Nationen rangiert Deutschland daher hinter den USA und Japan auf Platz drei. Auch für die Zukunft sehen Branchenexperten deutsche Medizintechnik auf Erfolgskurs. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, dass staatliche Regulierungen zum Hemmschuh der Branche werden könnten.

Die Medizintechnik kann ohne Zweifel als Wachstumsmotor der deutschen Industrie bezeichnet werden. Im Vergleich zu anderen Branchen war hier in den vergangenen Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum zu beobachten. Nach Angaben des Fachverbands Medizintechnik Spectaris erzielte die Medizintechnikbranche hierzulande im Jahr 2013 einen Gesamtumsatz in Höhe von 23 Milliarden Euro. Ein großer Anteil entfiel mit 16 Milliarden Euro auf das Auslandsgeschäft, was einer Exportquote von 68 Prozent entspricht. Eine Studie im Auftrag der HSH Nordbank rechnet bis zum Jahr 2020 mit einem weiteren Umsatzwachstum von jährlich bis zu neun Prozent. Treibende Faktoren sind neben der demographischen Entwicklung entwickelter Volkswirtschaften die verbesserte Infra- und Einkommensstruktur in Schwellenländern. Als Wachstumsmärkte kristallisierten sich zuletzt insbesondere China und Indien, aber auch Osteuropa und die Türkei heraus. Die relevanten Schlüsseltechnologien sind neben Informations- und kommunikationstechnik, Mikrosystemtechnik und Mikroelektronik die Bereiche Nanotechnologie, neue Werkstoffe sowie Biomaterialien und Biotechnologie.

Im Heimatmarkt Deutschland könnten die Rahmenbedingungen für die Hersteller dagegen besser sein. Zwar wird auch hier ein überdurchschnittliches Wachstum erwartet, die rechtlichen und bürokratischen Hürden wirken jedoch als limitierender Faktor. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie des Beratungsunternehmens Invensity. Demnach bremsen die im internationalen Vergleich besonders strengen staatlichen Regulierungen viele Hersteller aus. Ein Nachteil, von dem die stärker werdende Konkurrenz aus Asien nicht betroffen sei. Doch nicht nur staatliche Auflagen erschwerten Herstellern den Marktzutritt. Auch kostenintensive Entwicklungsprozesse, kurze Produktlebenszyklen sowie vergleichsweise unzureichende Möglichkeiten zur Finanzierung und Förderung machen den Herstellern mitunter zu schaffe. Besonders junge Unternehmen hätten daher es laut Invensity schwer, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Als einen weiteren entscheidenden Faktor für die schwächere Entwicklung des Binnenmarktes identifizierten die Studienautoren Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem. In Deutschland hängt die Einführung neuer Medizinprodukte entscheidend von der Erstattungsfähigkeit der Kassen ab. Produkte, die nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erstattet werden, könnten auf dem deutschen Markt kaum bestehen.

Auch auf europäischer Ebene sind die einschränkenden Faktoren für die Branche bekannt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte kürzlich, man dürfe mittelständischen Unternehmen nicht zu viele Auflagen vorschreiben und diese in ihrer Innovationsfähigkeit durch zu viel Regulierung behindern. Beispielsweise sehen sich Medizintechnikunternehmen durch die Medical Device Regulation (MDR) in den Bereichen Marktzugang und bei klinischen Prüfungen hohen bürokratischen Hürden gegenüber. Vertreter der Medizintechnikbranche erhoffen sich daher vom  in die Kritik geratenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) durch den Wegfall von Zöllen eine zumindest geringfügige Absatzsteigerung. Schwerer als die tarifären Handelshemmnisse wiegen aber die sogenannten nicht-tarifären Hemmnisse wie unterschiedliche Normen, Standards und Zertifizierungen. Die hohen Kosten für doppelte Zulassungsverfahren erschwerten  besonders kleineren Unternehmen den Marktzutritt oder verhinderten diesen sogar ganz. Die Medizintechnikindustrie plädiert daher auf eine gegenseitige Anerkennung der Zulassungsverfahren. Eine erteilte Zulassung für ein Produkt würde in dem Fall automatische auch eine Zulassung in den USA bewirken („once approved, everywhere accepted“). Das Thema Patientensicherheit müsse aber natürlich auch hier weiterhin höchste Priorität genießen.