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Pflegekräfte erhalten seit dem 1. Januar 2015 einen speziellen Pflegemindestlohn in Höhe von 9,40 Euro in den alten und 8,65 Euro in den neuen Bundesländern.  Dieser Mindestlohn soll bis 2017 in zwei Schritten weiter wachsen und dann 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten betragen. Darüber hinaus soll ab dem 1. Oktober 2015 der Kreis derer, für die der Pflegemindestlohn gilt, deutlich ausgeweitet werden. Künftig werden dann auch die in Pflegeeinrichtungen beschäftigten Betreuungskräfte von dementen Personen, Alltagsbegleiter und Assistenzkräfte vom Mindestlohn profitieren. In Einrichtungen, die unter den Pflegemindestlohn fallen, arbeiten derzeit rund 780.000 Beschäftigte. Dort, wo der Pflegemindestlohn nicht gilt, beispielsweise in Privathaushalten, gilt seit dem 1. Januar dieses Jahres der allgemeine Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Er gilt darüber hinaus auch für Angestellte in Pflegeeinrichtungen, die nicht in der Pflege arbeiten, beispielsweise Reinigungs- und Küchenhilfen.  Auch für Aushilfen und geringfügig Beschäftigte muss der allgemeine Mindestlohn gezahlt werden.

Karl-Josef Laumann (CDU), Patienten- und Pflegebeauftragter der Bundesregierung, spricht sich deutlich für eine gerechte Bezahlung in der Pflege aus. Es könne nicht angehen, dass Vollzeitbeschäftigte nicht von ihrem Lohn leben können. Daher habe er sich nachdrücklich für die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns eingesetzt. Entgegen der landläufigen Meinung von Kritikern des Mindestlohns erklärt er, dadurch drohe kein Kollaps des Systems. Doch dies könne nur der erste Schritt sein, denn gute Pflege brauche mehr als nur einen Mindestlohn. Daher habe der Gesetzgeber im ersten Pflegestärkungsgesetz klargestellt, dass eine Bezahlung nach individuell ausgehandelten Tarifen nicht unwirtschaftlich sei. Für das zweite Pflegestärkungsgesetz plant er eine Regelung, nach der die Pflegekassen von allen Trägern der Pflegeeinrichtungen den Nachweis verlangen können, ob ein angemessener Lohn bezahlt wird.

Der Mindestlohn wird insbesondere für Arbeitgeber eine Herausforderung sein, die ihren Mitarbeiter bisher deutlich weniger gezahlt haben. Die Kosten werden deutlich steigen, da Personalkosten bis zu 70 Prozent der Gesamtkosten ausmachen.  Für einige Träger könnte dies zum Problem werden, wenn die Zuweisungen der Pflegekassen nicht entsprechend angepasst werden. Die Sozialstationen von Caritas und Diakonie in Baden-Württemberg hatten sich daher mit der Petition „Die häusliche Pflege hat Wert“ an den Gesetzgeber gewand, da sie in der Regel auf den gestiegenen Kosten durch Tariferhöhungen in der Pflege sitzenbleiben. In den vergangenen neun Jahren seien die Personalkosten um 17 Prozent gestiegen, die Zuweisungen an die Pflegedienste dagegen nur um acht Prozent. Hier müsse der Gesetzgeber nachbessern, um eine kostendeckende Verteilung der Gelder aus den Pflegekassen sicherzustellen.

Die arbeitgebernahe „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ sieht Mindestlöhne dagegen generell kritisch. Die Initiative vertritt den Standpunkt, dass die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns Arbeitslosen den Zugang zum Arbeitsmarkt verbaue. Außerdem seien bei dem derzeitigen Mindestlohn von 8,50 Euro bis zu 900.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative, sieht die auch häusliche Pflege in ihrer bisherigen Form durch den Mindestlohn bedroht. Damit könnten sich Pflegebedürftige und deren Angehörige häusliche Pflege nicht mehr leisten und wären gezwungen, den Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung in Erwägung zu ziehen. Diese Einstellung überrascht nicht für eine Initiative, die wirtschaftsliberale Standpunkte vertritt. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels in der Pflege wäre es aber kontraproduktiv, Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht zu verbessern. Um wie geplant in den nächsten Jahren verstärkt Pflegekräfte anzuwerben ist es unabdingbar, eine Bezahlung sicherzustellen, von der Vollzeitangestellte leben können. Die Einführung eines Mindestlohns ist daher zu begrüßen. In wie weit man eine wichtige Säule des Sozialwesens von Marktmechanismen gesteuert sehen möchte, steht auf einem ganz anderen Blatt.