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Der Trend ist unverkennbar: Während das Offizingeschäft im letzten Jahr bei einem Umsatz von 43 Mrd. Euro stagnierte, wuchs der seit 2004 erlaubte Versandhandel von Arzneimitteln in 2011 um 8,4 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro. Besonders das OTC-Segment hat sich im Apotheken-Versandhandel etabliert. Heute liegt der Anteil am Markt für rezeptfreie Präparate nach Angaben des Branchendiensts IMS Health bei 11 Prozent. Für 2012 wird erneut mit einem Wachstum des Versandhandels gerechnet, doch was kommt dann?

Trotz der positiven Statistik hat im Markt der Versandapotheken ein Umbruch stattgefunden. Zu der angespannten Situation in der Branche hat nicht zuletzt das im August vom Bundesgerichtshof beschlossene Verbot von Rabatten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beigetragen. Besonders betroffen hiervon sind die in den Niederlanden ansässigen Versandapotheken. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Monate verdeutlicht die derzeitige Lage unter den wichtigsten Anbietern:

  • Vitalsana: Mit der Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker geriet die stark von Pick-Up abhängige Tochtergesellschaft mit Sitz im niederländischen Heerlen in die Schieflage. Weil sich Mitglieder des Managements von Schlecker und Vitalsana in einem Management-Buy-out Anfang September dazu entschieden, die Geschäfte weiter zu führen, muss sich nun die Versandapotheke mit Sitz im niederländischen Heerlen neu ausrichten. Der Suche nach einem neuen Pick-Cup Partner kommt daher eine Schlüsselrolle zu.
  • Sanicare: Für den deutschen Marktführer stehen nach dem Tod des Gründers Johannes Munter und der Ende September angemeldeten Insolvenz harte Zeiten an. Als einer der Pioniere im Versandhandel startete das Unternehmen aus Bad Laer 2004 mit dem Versenden von Medikamenten und hatte eigentlich nach einem positiven letzten Geschäftsjahr (Umsatz 220,5 Mio. Euro, + 2,5%) Expansionsgedanken. Nun muss für die Versandapotheke ein neuer Investor gefunden werden.
  • DocMorris: Ende Oktober wurde dann der Verkauf von DocMorris an die Schweizer Gruppe Zur Rose AG bekannt. Zwar verkündete die ehemalige Versandsparte von Celesio mit einem Umsatz von 327 Mio. Euro solide Zahlen, dennoch wurden die einst in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Ergebnis: Verkauf von DocMorris nach 5 Jahren zu einem Zehntel des Kaufpreises. Auch die Zukunft unter dem neuen Besitzer ist ungewiss. Denn DocMorris mit Sitz in Heerlen hatte besonders stark von dem Preisvorteil in Form einer Reduzierung der Rezeptgebühr für rezeptpflichtige Medikamente profitiert.
  • Europa Apotheek Venlo: Für die niederländische Versandapotheke könnte die Beendigung der Pick-Up Partnerschaft mit dm zum Problem werden. Die Rezeptsammelstellen in den dm-Filialen werden künftig von der Apotheke zur Rose, Halle an der Saale, betrieben. Für die Tochter des US-Pharmadienstleister Express Scripts, die im abgelaufenen Geschäftsjahr ihren Umsatz zweistellig auf 250 Mio. Euro gesteigert hat, war die zum Jahresende auslaufende Kooperation ein Zugpferd für die Bekanntheitssteigerung in Deutschland. Die Europa Apotheek wird sich nun wieder verstärkt auf ihre Kernzielgruppe konzentrieren, die chronisch kranken Patienten.
  • Zur Rose AG: Antizyklisch handelt derweil die Schweizer Gruppe Zur Rose AG. Das Unternehmen übernimmt nicht nur das Versandgeschäft von Celesio, sondern wird wie erwähnt über seine deutsche Tochtergesellschaft auch anstelle der Europa Apotheek in den dm-Märkten präsent sein. Die Zeichen stehen also auf Expansion. Aus Sicht des Unternehmens, das auch in anderen Ländern als Versandhandelsapotheke aktiv ist, habe der Markt großes Potential, denn in anderen Branchen mache das Versandgeschäft bereits bis zu 25 Prozent vom Gesamtmarkt aus.

Dass sich der Markt demnächst neu ordnen wird, ist aufgrund der beschriebenen Entwicklung zu erwarten. Hierbei stellen sich den Verantwortlichen besonders Fragen nach der Positionierung ihrer Versandapotheken. Möglichkeiten einer Ausrichtung bietet dabei die Spezialisierung als Anbieter auf ein Segment –  wie bspw. der Rx-Markt, OTC-Markt oder als Pick-Up Partner. Fest steht zudem, dass die Versandapotheken neue Wege finden müssen, um ihren Kunden Vergünstigungen anbieten zu können. Getestet werden zurzeit etwa Bonusprogramme und Prämien für die Teilnahme an Befragungen zur Arzneimitteleinnahme.