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Immer mehr Pflegebedürftige, immer weniger Pflegefachkräfte. Vor diesem Hintergrund will die Bundesagentur für Arbeit Pflegekräfte aus dem Ausland anwerben. Um die Zukunft der Pflege in Deutschland zu sichern, reiche es aber auf Dauer nicht mehr aus, nur in Europa nach Pflegefachpersonal zu suchen. Dies ist die Einschätzung von Monika Varnhagen, Direktorin für die „Zentrale Auslands- und Fachvermittlung“ (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Angesichts der alternden Gesellschaft und dem hieraus resultierenden steigenden Bedarf an Pflegekräften, sucht die Bundesagentur nun neues Personal in Asien. Derzeit versucht man seitens der Agentur in China mit einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Pflege, 150 Pfleger anzuwerben. So werden seit April diese in der Provinz Shandong auf ihren neuen Arbeitsplatz in Deutschland vorbereitet. Auf den Philippinen soll dasselbe geschehen.

Der Anwerbeversuch der Bundesagentur, die den derzeitigen Fachkräftemangel auf 18.000 Pflegekräfte schätzt, ist nicht grundlegend neu und revolutionär, setzt sich doch mehr und mehr die Überzeugung durch, dass der Bedarf an Pflegekräften nicht mit den in Deutschland lebenden Menschen gedeckt werden kann. Schließlich gibt es bereits heute rund 2,5 Millionen pflegebedürftige Menschen. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen und auch der Beschäftigten bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln. Mittelfristig ausgerichtete Prognosen gehen sogar davon aus, dass die Entwicklung der Personalsituation bei den Pflegekräften sich bereits im Jahr 2020 verschärft und dann gut 200.000 Vollzeitkräfte fehlen, 2030 dann über 300.000.

Auf Kritik musste dieses Vorhaben jedenfalls nicht lange warten. Die Anwerbung philippinischer Pflegerinnen wurde bereits von Anja Kistler, Geschäftsführerin des Berufsverbandes für pflegende Berufe (DBfK), kritisiert. Ihr Standpunkt: Die Ausbildung philippinischer Pflegekräfte begegne dem Fachkräftemangel nicht und rufe aufgrund kultureller und sprachlicher Barrieren Konflikte beim Einsatz in der Altenpflege hervor. Auch die Gewerkschaft ver.di hält das Anwerben ausländischer Pflegekräfte für problematisch. Aus Sicht von ver.di sei dies ein „Herumdoktern an Symptomen“ ohne wirklichen Nutzen.

Doch warum sucht eine deutsche Behörde Fachpersonal in Zeiten eines gemeinsamen Arbeitsmarktes in Europa im asiatischen Teil der Erde? Der Grund liegt in der schlechten Bezahlung bei immer stärkerer Arbeitsverdichtung und Belastung des Pflegers. In der Folge scheint es kaum verwunderlich, dass das fehlende Pflegepersonal nicht in Europa, sondern in Asien gesucht wird. Auch wenn Pflegepersonal aus dem EU-Ausland die deutsche Sprache sicher schneller lernen könnte als Pfleger aus China oder von den Philippinen. Zudem stehen die Südeuropäer Deutschland kulturell näher. Doch bislang ist der Vermittlungserfolg bei europäischen Pflegekräften bescheiden: Die ZAV vermittelte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben nur 56 Pflegekräfte aus dem europäischen Ausland. Trotz EU-Freizügigkeit sind nur wenige Pflegefachkräfte aus Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn nach Deutschland gekommen, berichtet Steffen Ritter, Sprecher des Arbeitgeberverbands Pflege.

Ob eine verstärkte Einwanderung von Pflegern eine Lösung für den Fachkräftemangel in Deutschland ist, kann bezweifelt werden. Sich ausschließlich auf Pflegekräfte aus Osteuropa oder anderen Teilen der Welt zu verlassen, scheint jedenfalls kein adäquater Ansatz. Zur Lösung sollten zunächst Ressourcen im eigenen Land genutzt werden. Dazu müssen die hiesigen Arbeitnehmer besser qualifiziert werden und Rahmenbedingungen für Pflegekräfte entscheidend verbessert werden. Neben der Bezahlung sollte die Verbesserung der Arbeitsbedingungen an vorderster Stelle stehen. Denn eine Altenpflegerin in Deutschland ist  durchschnittlich nur acht Jahre in ihrem Beruf tätig.