Seite wählen

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will dem wachsenden Pflegemangel in Deutschland mit 125.000 zusätzlichen Stellen in den nächsten vier Jahren begegnen. Diese Stellen sollen über eine Beitragserhöhung zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte tariflich entlohnt werden. Demnach könnte der Beitragssatz im teuersten Fall von 2,05 auf 2,45 Prozent steigen, für Menschen ohne Kinder auf 2,7 Prozent. Mit dem vorgestellten Konzept zur Pflegeversicherung (PDF-Download) werden die Sozialdemokraten neben der Debatte um die Einführung einer Bürgerversicherung mit einem weiteren gesundheitspolitischen Thema aktiv. Kürzlich hatte sich bereits der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, vor dem Hintergrund, dass es in Pflegeheimen oftmals zu einer Übertherapie mit Arzneimitteln kommt, für eine Neustrukturierung der Arzneimittelversorgung und der Pflege ausgesprochen.

Unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl im Herbst zeichnet sich damit ab, dass eine neue Pflegereform, deren Kosten auf zwei bis vier Milliarden Euro geschätzt werden, immer wahrscheinlicher wird. Hierzu hatte sich auch CDU/CSU, die zusammen mit der FDP die jüngsten Reformen der Pflegeversicherung Anfang des Jahres auf den Weg gebracht hatten, geäußert und Verbesserungen angekündigt. Bislang bleibt allerdings die Union in ihrem Wahlprogramm vage: Eine besser abgestufte Bestimmung der Pflegebedürftigkeit solle es geben, eine Weiterentwicklung der Versicherung – sowie eine moderate Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung.

Die Einnahmen der Pflegeversicherung sind seit 1995 (8,41 Mrd. Euro) bis zum Jahr 2012 (23,04 Mrd. Euro) deutlich gestiegen – um 15 Mrd. Euro. Im Durchschnitt sind die Einnahmen allerdings jährlich „nur“ um 6,1 Prozent gestiegen, auch wenn sie damit stärker als die gesamten Gesundheitsausgaben (jährlich 3 Prozent) gewachsen sind. Führt man sich allerdings vor Augen, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen bis 2030 deutlich steigen wird, scheint eine Reform und damit auch verbunden eine Verteuerung der Pflegeversicherung unausweichlich. Nach einer aktuellen Studie (Pflegeheim Rating Report 2013) wächst die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf rund 3,3 Millionen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, untermauert aber den künftigen Bedarf in der Pflege: Hier werden bis 2030 zusätzlich 371.000 stationäre Pflegeplätze und bis zu 331.000 Pflegerinnen und Pfleger benötigt.

Fast die Hälfte der Ausgaben der Pflegeversicherung entfielen im Jahr 2012 auf die vollstationäre Pflege (9,96 Mrd. Euro). Hier bietet sich zur Reduzierung der Kosten an, weiterhin Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Pflegebereich zu übertragen.

Mit der Beitragserhöhung von 0,5 Prozentpunkten geht die SPD davon aus, zunächst zusätzliche Einnahmen von sechs Milliarden Euro zu generieren. Die Finanzierung der jüngsten Pflegereform, in deren Rahmen etwa Demenzkranke mehr Geld- und Sachleistungen erhalten, hat die Regierung über eine Anhebung des Beitragssatzes von 0,1 Prozentpunkten erreicht. Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die jedoch durch die schwarz-gelbe Koalition bisher versäumt wurde, wird eine deutlich stärkere Beitragserhöhung erfordern.

Übrigens: Als Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer vor zwei Jahren der Tageszeitung “Die Welt“ mit Blick auf die Pflegeversicherung einen Beitragsanstieg um bis zu 0,5 Prozentpunkte ankündigte, tat das Bundesgesundheitsministerium dies noch als „Einzelmeinung“ ab. Ein weiteres Dementi scheint derzeit angesichts der Zukunft des Pflegemarktes nicht angebracht.