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Wenn politische Entscheidungen getroffen werden, geschieht das nicht im luftleeren Raum. Nicht selten sind neben Politikern auch Verbände, Vereine und Unternehmen als sogenannte „Experten“ beteiligt. Besonders in der Gesundheitspolitik wird eine große Einflussnahme von Lobbyisten unterstellt. Seit langem befassen sich Organisationen wie Lobbycontrol und das EU-Transparenzregister mit der Frage, wie groß der Einfluss auf die Politik tatsächlich ist.

Pharmaindustrie investiert Millionen für Einflussnahme

Aktuelle Daten zeigen: Vor allem die Pharmaindustrie gibt Millionen aus, um einen guten Draht zur Politik zu pflegen. In der EU-Politik flossen 2014 laut Angaben des Lobbyregisters rund 40 Mio. Euro, an der Spitze lag der Arzneimittelhersteller Bayer mit Zuwendungen in Höhe von knapp 2,5 Mio. Euro. Die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher liegen, da es sich bei den Daten des Registers lediglich um freiwillige Angaben der Unternehmen und Verbände handelt. Im Lobbyregister waren zum 15. September mehr als 8.300 Organisationen registriert, darunter mehr als die Hälfte In-House-Lobbyisten sowie Verbände.

Die Einflussnahme durch Lobbyisten erfolgt in verschiedenster Form. Neben der Bereitstellung von Informationen für Politiker in Form von Berichten und Studien spielt die Pflege persönlicher Beziehungen eine Rolle sowie Gegenleistungen in Form von Spenden und die Androhung von politischem Druck durch Streiks, Lieferboykott und den Abbau von Arbeitsplätzen. Manchmal liefern die Lobbyisten Politkern sogar vollständige Gesetzesentwürfe, um eigene Interessen durchzusetzen.

Interessenkonflikte sind vorprogrammiert

Die Verstrickung von Politik und Wirtschaft wird dann besonders eng, wenn Politiker nach ihrer Amtszeit in die Chefetagen von Unternehmen wechseln und umgekehrt. Die Unternehmen gewinnen daraus einen privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern, denn die guten Kontakte nehmen die Politiker bzw. Lobbyisten meist mit. Im Jahr 2012 wechselte die ehemalige Pharma-Lobbyistin Cornelia Yzer (CDU) als Wirtschaftssenatorin in den Berliner Senat. Zuvor war sie bis Mai 2011 insgesamt 15 Jahre Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Zuvor war sie beim Pharmaunternehmen Bayer tätig und saß zwischen 1990 und 1998 im Deutschen Bundestag. Auch die ehemalige Gesundheitsministerin von NRW, Birgit Fischer (SPD) wechselte im Mai 2011 zum vfa und löste damit Yzer ab. Dies wird allgemein als Drehtür-Phänomen bezeichnet.  Oft wurde bereits eine Karenzzeit von mindestens zwei Jahren zwischen politischer Laufbahn und Tätigkeit in der Wirtschaft gefordert, wenn ein Interessenkonflikt befürchtet wird.

Auch in Deutschland sind Interessengruppen im Gesundheitsausschuss deutlich stärker vertreten als in anderen Bereichen. Die zwei Politikwissenschaftler und Medienanalysten Anna-Katharina Dhungel und Dr. Eric Linhard konnten in einer Analyse zwar nicht nachweisen, dass die Gesundheitspolitik gezielt von Verbänden und Co. gesteuert wird, allerdings hätten im Gesundheitsausschuss im Untersuchungszeitraum 2009 bis 2013 deutlich mehr Experten und Lobbyisten vorgesprochen als anderswo. In rund der Hälfte der Sitzungen seien demnach Experten eingeladen worden, die im Schnitt elf Stellungnahmen abgaben. Ein Rekordwert. Dabei sei der GKV-Spitzenverband am häufigsten präsent gewesen, gefolgt von der Bundesärztekammer (BÄK) dem PKV-Verband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Lobbyisten sind nicht nur in der Politik aktiv

Doch nicht nur auf die Politik hat die Pharmaindustrie Einfluss, eine Studie kommt zu dem Schluss, dass von der Pharmaindustrie finanzierte Studien Arzneimitteln häufiger eine positive Wirksamkeit bescheinigen als unabhängige Studien. Die Manipulation findet laut der Autoren dabei oft subtil statt, etwa durch Auslassen bestimmter Fragen, Patientengruppen etc. Teils werden negative Ergebnisse einfach unter den Tisch gekehrt oder positiv uminterpretiert. Eine neutrale Entscheidungsgrundlage für Ärzte und Patienten entsteht durch ein derartiges Prozedere freilich nicht, stattdessen können ethisch durchaus fragwürdige Situationen entstehen. So erhöhte ein als „Superaspirin“ angepriesenes Arzneimittel das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und musste nach wenigen Jahren vom Markt genommen werden.

Dass Unternehmen versuchen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen ist per se nichts Schlechtes. Auch dass Politiker auf Informationen von außen angewiesen sind ist ebenso legitim wie nachvollziehbar. Dabei muss jedoch stets sichergestellt werden, dass Entscheidungen und Gesetze aufgrund von abgesicherten Informationen getroffen werden und für die betroffenen Bürger das Beste sind, besonders im Gesundheitswesen. Die größte Angst von Kritikern besteht wohl darin, dass der Politikbetrieb als fremdgesteuerte Marionette der Industrie agiert. Und sicher sind manche Politiker beeinflussbarer als andere und einem Extraverdienst nicht abgeneigt. Das mag zwar menschlich sein, ist in der Politik aber fehl am Platz und kann schnell an die  Grenze zu Korruption stoßen. Damit derartige Fälle bekannt werden und insgesamt mehr Transparenz vorherrscht, registrieren Organisationen wie Lobbycontrol und Co. Berührungspunkte zwischen Industrie und Politik. Zwar ist wie bereits erwähnt davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zuwendungen der Industrie deutlich höher ausfallen als angegeben, Verschwörungstheorien sind dennoch fehl am Platz.