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Fallpauschalen wurden 2004 eingeführt, um die Ausgaben im Gesundheitssystem zu senken. Seither erhalten Krankenhäuser für die stationäre Versorgung der Patienten, abhängig von der Diagnose, einen festgelegten Betrag, unabhängig davon wie lange der Patient auf Station ist. So soll verhindert werden, dass Patienten unnötig lange stationär behandelt werden. Das System ist alles andere als unumstritten. Häufig wird kritisiert, dass Patienten aus rein wirtschaftlichen Gründen zu früh entlassen werden, was im Ernstfall zu gesundheitlichen Komplikationen führen kann.

Durchschnittliche Verweildauer hat sich halbiert

Tatsächlich war die Verweildauer von Patienten bis zur Einführung der Fallpauschale im internationalen Vergleich recht hoch. Durch Fallpauschalen steigen bei gleichem Erlös die Kosten einer Klinik, wenn sie Patienten lange aufnehmen. Seither besteht ein wirtschaftlicher Anreiz, Patienten so früh wie möglich zu entlassen. Seit 1992 hat sich die durchschnittliche Verweildauer von 13,3 auf 7,5 Tage im Jahr 2013 nahezu halbiert, Tendenz weiter sinkend. Dazu trugen auch der medizinisch-technische Fortschritt sowie eine verbesserte vor- und nachstationäre Versorgung.

Fallpauschalen können aber auch dazu führen, dass Patienten zu früh aus der Klinik in die Reha überwiesen werden, das kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) in einem Bericht vom 5. August. Demnach verdienen Kliniken mehr an einem Patienten, wenn sie ihn früh genug entlassen. Letztendlich komme es immer häufiger vor, dass Rehabilitations-Kliniken die Patienten mit Antibiotika und Schmerzmitteln sowie Maßnahmen zur Wundversorgung und -management versorgen müssen, was eigentlich Aufgabe der Akut-Klinik ist. In Einzelfällen komme es sogar vor, dass Patienten in Abstimmung zwischen Operateur und Reha-Mediziner in die Akutklinik zurücküberwiesen werden, wenn Komplikationen den Reha-Erfolg gefährden. In diesem Fall wird die Aufnahme wie eine neue Einweisung gehandhabt und abgerechnet. Laut DGU liegt die Ursache im Fallpauschalensystem, welches falsche Anreize setzt. Stattdessen solle ein Index etabliert werden, der den Zustand der Patienten erfasst und der an einen bestimmten Reha-Satz gekoppelt ist. Dies forderte Dr. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, einer der Kongresspräsidenten des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) im Rahmen der bevorstehenden Veranstaltung.

Mehr Operationen durch Fallpauschalen?

Dem System wird auch vorgeworfen, die Zahl der operativen Eingriffe in die Höhe zu treiben, da Fallpauschalen lediglich als Preisinstrument ohne funktionierende Mengenbeschränkung eingesetzt werden. Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung bestätigten dies indirekt. So seien nur 33 Prozent des Leistungsanstiegs durch den demografischen Wandel erklärbar, der Rest geschehe aus wirtschaftlichen Gründen. Die Krankenhäuser haben für die restlichen zwei Drittel jedoch eine recht simple Erklärung. Patienten würden heutzutage viel öfter Operationen von den Ärzten fordern, da sie lediglich die positiven Ergebnisse betrachten und negative  Folgen ausblenden. Auch der GKV-Spitzenverband springt für die Fallpauschalen in die Bresche. So habe sich die Qualität stationärer Leistungen nicht verschlechtert, stattdessen seien die Überkapazitäten an Krankenhausbetten für ökonomisch motivierte Operationen verantwortlich. “Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass wir in Deutschland ein Problem mit medizinisch nicht notwendigen Operationen haben. Das liegt aber nicht an denen, die die Operationen hinterher bezahlen, sondern an denen, die zu viel operieren. Durch die Fallpauschalen werden die tatsächlichen medizinischen Leistungen bezahlt und nicht mehr wie früher nur die Anzahl der Tage, die jemand im Krankenhaus verbracht hat. Die Fallpauschalen haben sich bewährt”, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes.

Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass ein Krankenhaus umso mehr verdient, je mehr Patienten es in kürzerer Zeit behandelt. Dass dies kein auf Dauer haltbarer Zustand ist, hat der Gesetzgeber bereits erkannt. Bis jetzt konnte aber noch keine geeignete Alternative oder Modifizierung zum Fallpauschalensystem identifiziert werden. Es existieren grundsätzliche Überlegungen, die Vergütung von Krankenhäusern stärker an Qualitätskriterien zu orientieren, allerdings konnte noch keine Einigkeit erzielt werden, von welchem Qualitätsbegriff dabei ausgegangen werden soll. Grundsätzlich soll mehr Wettbewerb im Klinikmarkt das Kind aus dem Brunnen holen. Der dadurch entstehende Konsolidierungsdruck führt inzwischen dazu, dass mehr private Kliniken auf den Markt drängen und die Zahl der Kliniken insgesamt stetig sinkt. Private Kliniken sind für Kommunen und Krankenversicherung insofern attraktiv, als dass sie letztendlich Wirtschaftsbetriebe sind und auch wirtschaftlich handeln. Sie erzielen Gewinne und führen darauf Steuern ab, benötigen gleichzeitig weniger Mittel aus öffentlichen Geldern. Laut aktuellen Untersuchungen handeln sie dabei nicht weniger patientenorientiert.

Es wird sicherlich spannend zu beobachten, wohin die Krankenhaus-Versorgung in Zukunft steuert. Es bleibt zu hoffen, dass dabei nicht nur wirtschaftliche Motive die Richtung bestimmen, sondern das, worum es in der Medizin eigentlich geht: Das Wohl der Patienten.